Schwul, aber in eine Frau verliebt
Regisseur Marco Kreuzpaintner ist bekennender Homosexueller. Nun verstört er die Szene mit einer romantischen Komödie, die munter die beiden Pole wechselt.
Herr Kreuzpaintner, was war der Auslöser für „Coming In“? Vermutlich keine persönliche Erfahrung, oder?
Kreuzpaintner: Das nicht. Aber mein erster fester Freund hat sich irgendwann, nachdem er zehn Jahre lang nur mit Jungs zusammen war, plötzlich in ein Mädchen verliebt. Unsere Beziehung war da längst vorbei, aber in unserem Freundeskreis hat das zu wahnsinnigen Diskussionen geführt. Da fielen dann Sprüche wie: „Das ist doch nur eine Phase“. Oder: „Diese blöden Frauen, was will er denn mit einer von denen?“ Das fand ich in unserem Umfeld absurd, wie schnell die Schubladen auf- und zugemacht wurden.
Das fanden Sie dann, sei ein Stoff für eine Komödie?
Kreuzpaintner: Das Prinzip der romantischen Komödie ist es, dass zwei zusammenkommen, die füreinander bestimmt sind, obwohl es auf den ersten Blick gar nicht so aussieht und ihnen lauter Hindernisse im Weg stehen. In Sachen Homo- und Heterosexualität habe ich so einen Graubereich in Deutschland ausgemacht, in dem es noch Vorbehalte und Ressentiments auf eine solche Beziehung der Gegensätze gibt. Was sich an den Reaktionen auf den ersten Trailer auch bestätigt hat.
"Coming In" sorgt für Ärger in der Schwulenszene
Der stieß in der schwulen Szene nicht nur auf Begeisterung ...
Kreuzpaintner: Da wurden gleich die Gewehre geladen. Was ich durchaus verstehen kann. Natürlich kann man – zumindest wenn man den Film nicht gesehen hat – aus der eigenen Verletzung und Vergangenheit heraus vermuten, dass da jemand das Ansinnen hat zu erzählen, wie ein Schwuler auf die „gute Seite der Macht“ zurückkehrt. Worum es mir aber nicht im Geringsten ging.
Sondern?
Kreuzpaintner: Na, eben das komische Konfliktpotenzial zu nutzen, das in der Sache steckt. „Coming In“ soll in erster Linie ein Unterhaltungsfilm sein. Aber in zweiter war es mir – und das ist der politische Aspekt des Films – auch wichtig, eine schwule Thematik im Kino als etwas ganz Selbstverständliches zu behandeln. Wann hat man hierzulande in einem Film schon mal so viele schwule Figuren gesehen?
Haben Sie das Gefühl, dass es an Sie als schwulen Filmemacher eine besondere Erwartungshaltung gibt, „Ihre“ Sache zu vertreten?
Kreuzpaintner: Die gibt es sicherlich, und ich würde gerne noch viel mehr Verantwortung übernehmen. Ganz viel davon nehme ich hinter den Kulissen wahr. In Sachen Homopolitik bin ich sehr bei der SPD engagiert und habe in der Partei teilweise sehr harte Diskussionen geführt, weil in der Großen Koalition eben mal so Wahlversprechen fallengelassen wurden. Und mit Peter Plate habe ich eine Aktion gemacht gegen Homophobie in Russland und dafür Musikvideos umsonst gedreht.
Kreuzpaintner thematisiert Bisexualität und Fragen der Identität in "Coming In"
Zurück zum Film. Das Interessante an „Coming In“ ist nicht zuletzt, dass der Protagonist Tom sich auch am Ende nicht plötzlich hetero identifiziert ...
Kreuzpaintner: Nein, warum auch? Nur weil er eine Frau liebt? So einfach ist das doch nie. Aber es ist ja schon auffällig, dass gerade auch schwule Männer oft so ein Problem mit dem Thema Bisexualität haben. Die Unsicherheit, die alles mitbringt, was nicht klar definiert ist, scheint schwer auszuhalten zu sein.
Wie erklären Sie sich, dass Schwule wie Heteros so ein Bedürfnis nach eindeutigen Identitätskategorien haben? Wer sagt, er liebe einfach Menschen, wird ja gerne mal belächelt ...
Kreuzpaintner: Dabei ist das letztlich tatsächlich das, was übrig bleibt, oder? Ich glaube, dass jeder grundsätzlich in der Lage ist, in jedem Geschlecht zu lieben. Dass das nicht jeder wahrhaben mag, hat vor allem mit einem Sicherheitsdenken zu tun. Menschen haben Angst vor dem Unbekannten. Die meisten Schwulen würden sich natürlich wehren gegen die Behauptung, sie hätten Schiss. Sie sehen den Akt, sich geoutet zu haben, als etwas Mutiges an.
Sie selbst sehen das anders?
Kreuzpaintner: Sich zu outen ist für mich nichts Mutiges, sondern etwas Notwendiges. Für mich ist das die Grundvoraussetzung. Mut braucht es dann letzten Endes, damit so umzugehen, dass dieses Thema nicht auf deiner Stirn geschrieben steht, sondern du ganz selbstbewusst und selbstverständlich dein Leben lebst. Das ist der viel größere Kraftakt als das Outing allein.
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