Vollblutschauspieler bis zuletzt
Nachruf Hans-Michael Rehberg war eine der markantesten Erscheinungen im Theater wie im Fernsehen
Augsburg Hans-Michael Rehberg war ein kompletter Schauspieler, in ihm vereinten sich die Gegensätze. Den Guten stellte er ebenso überzeugend dar wie den Bösen, die Komödie gelang ihm nicht weniger als das Tragische. Davon hat die deutschsprachige Schauspielkunst jahrzehntelang profitiert, auch hier an beiden Polen, auf der Theaterbühne genauso wie vor der Filmkamera. Zwischen dem Hohen und dem Niedrigen, dem Anspruchsvollen und dem Seichten hat er auch nie unterschieden, ins Gewand eines TV-Bischofs („Pfarrer Braun“) schlüpfte er ebenso, wie er sich mit dem Degen des Dänenprinzen Hamlet gürtete. Rehberg war erfüllt von der Darstellungskunst. „Entsetzlich! Ich kann ja gar nichts anders“, ächzte er vor ein paar Jahren anlässlich seines 75. Geburtstags, und das war wohl ausnahmsweise einmal nicht geschauspielert.
Natürlich hatte er die für seinen Beruf notwendige Physiognomie. Nicht dass er ein Schönling gewesen wäre. Aber das lange Gesicht mit dem wuchtigen Kinn, die durchdringenden Augen unter hängenden Lidern und der aufragende Schädel ermöglichten eine Präsenz, die sich nachhaltig einbrannte in den Vorstellungswelten des Publikums. Rehberg war eine Erscheinung, selbst dort, wo er nur mit kleinen Rollen bedacht wurde. Schade, dass ihn der internationale Film so wenig berücksichtigte; nur Spielberg hat ihm in „Schindlers Liste“ die Rolle des Auschwitz-Kommandanten anvertraut.
Umso mehr waren die deutschen Filmer hinter ihm her, wenn auch überwiegend fürs Fernsehen. Fassbinder besetzte ihn in „Berlin Alexanderplatz“, in „Der Totmacher“ ermittelte er gegen Götz George, in Brandauers „Georg Elser“-Film war er zugegen, Heinrich Breloer holte ihn wiederholt für seine Dokufiktionen wie „Die Manns“.
Und natürlich die Theater. Rehberg, 1936 in Fürstenwalde bei Berlin geboren, startete seine Karriere am Bayerischen Staatsschauspiel, wo er lange zum Ensemble gehörte. Ob in Hamburg oder Berlin, ob in Zürich, an der Burg in Wien oder bei den Salzburger Festspielen, überall sah man ihn. Die Reihe seiner Regisseure – ein Who is who, von Bergman und Bondy über Lietzau und Peymann bis hinzu Stein und Zadek.
Rehberg, der eine Zeitlang mit seiner Kollegin Barbara Sukowa verheiratet war, hatte vor nicht einmal zwei Wochen seinen letzten Bühnenauftritt, in München am Residenztheater. Der blinde Seher Teiresias in Sophokles’ „König Ödipus“ – eine Rolle, die verlangt, was dieser Schauspieler besaß: Statur, Charisma. Am Dienstag ist er 79-jährig in Berlin gestorben.
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