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Debatte
15.04.2017

Was ist deutsch?

Typisch deutsch? Eine Auswahl möglicher Kandidaten (von links oben nach rechts unten): Martin Heidegger, Angela Merkel, Friedrich II., Willy Brandt, Alice Schwarzer, Johann Wolfgang von Goethe, Hildegard Knef, Karl Marx, Richard Wagner, Frauke Petry, Thomas Mann, Helmut Kohl, Thilo Sarrazin, Martin Luther, Jérôme Boateng, Friedrich Nietzsche.
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Typisch deutsch? Eine Auswahl möglicher Kandidaten (von links oben nach rechts unten): Martin Heidegger, Angela Merkel, Friedrich II., Willy Brandt, Alice Schwarzer, Johann Wolfgang von Goethe, Hildegard Knef, Karl Marx, Richard Wagner, Frauke Petry, Thomas Mann, Helmut Kohl, Thilo Sarrazin, Martin Luther, Jérôme Boateng, Friedrich Nietzsche.

Land der Dichter und Denker, durch Auschwitz gezeichnete Nation, Wirtschaftsmacht in der Mitte Europas: Die Frage, wer wir sind, ist historisch prekär – und aktuell von Bedeutung

Da war kürzlich die Sache mit Björn Höcke. Der AfD-Mann aus Thüringen sprach vom „Denkmal der Schande“ und meinte das monumentale Holocaust-Mahnmal im Herzen Berlins. Es stehe dafür, dass man sich als Deutscher nur negativ auf eigene Geschichte beziehen dürfe. Positiver Patriotismus dagegen werde als Nationalismus geächtet. Höcke, dessen Parteifreunde schon mal behaupten, Angela Merkel sei eben aufgrund jener historischen Last so offen mit den Flüchtlingen umgegangen, erntete die erwartete Empörung – selbst aus der AfD droht ihm nun der Ausschluss.

Kurz darauf wurde in Berlin nach langem Streit und Jahren des Hinauszögerns der Bau eines Einheitsdenkmals beschlossen, in Form einer in ihrer Übergröße eher albern als monumental wirkenden Wippe – inzwischen steht sie wieder auf der Kippe. Und in jenen Tagen sprach auch Joachim Gauck, einst im Osten Deutschlands ein Einheits-Akteur, in seiner Abschiedsrede als Bundespräsident von seiner Liebe zu diesem Land. Zeigte sich also betont als positiver Patriot, mit einem Bekenntnis zur Verfassung.

Drei Geschehnisse, die zeigen, dass im Deutschland des Jahres 2017 die Frage nach der Identität virulent ist: Wer sind wir? Deutsch sein – was heißt das im Angesicht der Geschichte und vor den Fragen der Gegenwart? Es ist ein altes Problem, das da in neuer Schärfe hervortritt, seit sich als Patrioten und schwarz-rot-goldene Fahnenschwenker vor allem jene in Szene setzen, die dieses Land, sein Volk, seine Identität als bedroht ansehen. Eine Abgrenzungsbewegung nach außen, die vor allem kennzeichnen will, was nicht deutsch sein dürfe. Woran sich das Deutschsein aber positiv zeigt, das wird daraus nicht klar. Und das eben ist das alte Problem.

Der Heidelberger Kulturhistoriker Dieter Borchmeyer hat darüber ein umfang- und detailreiches Buch geschrieben, weit in die Geschichte ausgreifend. Es heißt „Was ist deutsch?“ und befragt die großen Figuren dieses Landes der Dichter und Denker: Goethe und Hegel, Schiller und Fichte, Heine und Nietzsche, Richard Wagner, Thomas Mann und Bertolt Brecht. Der grundlegende Befund des Professors lautet:

„Kein Volk der Geschichte hat sich so unaufhörlich mit der eigenen Identität beschäftigt wie das deutsche. Die Antworten auf die zumal seit dem 18. Jahrhundert immer neu gestellte Frage ‚Was ist deutsch?‘ pendeln, bisweilen in extremen Ausschlägen, zwischen zwei Polen: einem welteinschließenden – kosmopolitischen – und einem weltausschließenden – nationalistischen – Pol. Kaum je ist dieses Pendel der Identitätssuche zum Stillstand gelangt, ja die heftige Bewegung zwischen den Polen hat immer wieder dafür gesorgt, dass der eine der beiden Pole die Züge des anderen übernahm. Das Dritte Reich hat den übernationalen Aspekt, welcher der Wesensbestimmung des Deutschen ursprünglich eigen ist, gänzlich ausgeschaltet und die Frage ‚Was ist deutsch?‘ in einem rein nationalistischen Sinne beantwortet; dessen katastrophale Folgen haben dazu geführt, dass schon die bloße Frage nach der deutschen Identität lange zum Kanon des Verbotenen gehörte. Erst seit der Wiedervereinigung ist sie aus diesem Kanon wieder entlassen worden.“

Die Deutschen, die ja lange schon eine in der Sprache vereinte Kulturnation waren, bevor sie sehr spät zur Nation wurden, haben demnach in dieser Frage nie zur Ruhe gefunden. Die großen Geister ihrer Geschichte wollten immer schon Weltgeister sein, mitunter sehr stolz auf ihre Kultur, die wie in der Antike die der Griechen allen anderen vorangehen könne. Als Gegenbewegung aber waren Rückzug und Selbstbesinnung ebenso radikal, geistig provinziell, nationalistisch. Auschwitz war der Bruch des Pendels. Und doch ist dem Deutschen die Doppelgesichtigkeit bis ins Kleine geblieben. Borchmeyer zitiert Erich Kahler, einen Gefährten Thomas Manns: „Sie sind eigenbrötlerisch und massenselig, untertänig und hochfahrend, friedfertig und raufsüchtig, pedantisch und schwärmerisch, treuherzig und treubrüchig, leichtgläubig und misstrauisch und alles bis aufs Äußerste.“ Seit der Wiedervereinigung kann das Pendel mit erstarktem Selbstbewusstsein wieder weiter ausschwingen.

Das brachte auch alte Bahnen neu Brechendes wie Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ hervor. Das ja auch keine positive Bestimmung des Deutschseins lieferte, sondern nur eine Abgrenzungsdebatte anstieß. Sie wirkt bis heute fort. Nicht nur bei den Fahnenschwenkern, sondern auch in der Gegenrichtung. Aktuell etwa ist vom Pater Notker Wolf das Buch „Schluss mit der Angst – Deutschland schafft sich nicht ab“ erschienen, ein Mutmacher zur Weltoffenheit. Auch Dieter Borchmeyer will mit seinem Buch ein Zeichen gegen den Nationalismus setzen, kulturhistorisch, indem er zeigt, dass Deutschsein eine Frage der Kulturnation ist, immer im Bewusstsein ihrer Geschichte und damit ihres gefährlichen Potenzials. Die Unsicherheit gehört zu unserem Wesen. Gerade als die starke Wirtschaftsmacht in der Mitte Europas.

In einem viel kleineren aktuellen Buch mit demselben Titel – „Was ist deutsch?“ – zieht der Wuppertaler Philosoph Peter Trawny diesen Schluss noch viel weiter. Trawny war lange Herausgeber der Werke von Martin Heidegger, einem der wirkmächtigsten deutschen Philosophen des 20. Jahrhunderts, der aber auch unter den Nazis Karriere gemacht und sich zu Hitler bekannt hat. Als in den vergangenen Jahren durch Veröffentlichung von dessen privaten Notizen in den „Schwarzen Heften“ herauskam, wie stark antisemitisch und faschistisch Heideggers Denken war, legte Trawny seine Tätigkeit nieder und schreibt nun: „Ich verstehe als Deutscher unmittelbar, wie Auschwitz möglich war. Das hängt zusammen mit dem, was es heißt, ein Deutscher zu sein.“

Was er mit seinem eigentlichen geistigen Vater Theodor W. Adorno sagt: Angesichts unserer Geschichte, die durch keinen Vergleich zu relativieren ist, haben wir nur die Möglichkeit einer deutschen „Nicht-Identität“. Uns eint grundlegend zu allem anderen etwas Negatives. Aber gerade das befähigt uns zu Besonderem: „Die deutsche Identität ist nach Adorno durch einen nie zu heilenden Riss gezeichnet. Schließlich gehört zu einer solchen Nicht-Identität, dass ihre Instabilität sich als Offenheit für das Menschliche schlechthin erweist.“ Der für immer wankende Boden des Deutschen, der ihm auch bei Trawny ein Ineinander aus „Großartigem“ und „Monströsem“ beschert, bietet also die Chance, sich bewusst zu werden, wie wankend der Boden des Menschseins generell ist. Etwas, worauf sich die Deutschen positiv stützen können, sieht Trawny aber auch: einen Patriotismus der Verfassung, das Fundament menschlicher Werte also, die auf dem wankenden Boden Halt geben können.

Der Philosoph resümiert: „Die Frage, was deutsch sei, bleibt relevant, nicht nur weil es sich Populisten mit ihr allzu leicht machen und den Unzufriedenen und auch Zufriedenen mit Staffagen ausstatten, damit diese ihr vermeintliches Deutschsein Flüchtlingen und anderen Leidtragenden entgegenhalten können. Sie bleibt auch deshalb wichtig, weil das Leben einer Gesellschaft von den Narrativen ihrer Mitglieder mindestens mitbestimmt wird.“ Das heißt: Es gilt für uns als Deutsche, mit unserer Geschichte, für eine Erzählung von Leben einzustehen, die auf moralische Werte baut – in einer Welt, die nur noch monetäre Werte zu berücksichtigen droht. Deutschsein als Verpflichtung.

Darum dürfen wir die Debatte über das Deutschsein auch nicht Leuten wie Höcke überlassen, sie nicht mit dem Versuch eines fortgesetzten Kanons des Verbotenen einfach beenden – wir müssen sie führen. Nur das kann nach Historiker Borchmeyer und Philosoph Trawny die Antwort auf die ewige Doppelgesichtigkeit des Deutschen sein.

Dieter Borchmeyer: Was ist deutsch? Rowohlt, 1056 S., 39,95 ¤

Peter Trawny: Was ist deutsch? Matthes & Seitz, 107 S., 10 ¤

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