Afghanistan: Höchste Zeit für den Rückzug
Wie viele deutsche Soldaten müssen noch in Afghanistan sterben, bis die Bundesregierung endlich zum Rückzug bläst?
Verteidigungsminister Thomas de Maizière sagte gestern, als die Nachricht vom Tod des vierten Bundeswehrsoldaten innerhalb von neun Tagen eintraf, er sei erschüttert. Der erst seit kurzem amtierende Minister, der sich als Architekt einer neuen, weltweit intervenierenden Bundeswehr versteht, gab sich aber unerschütterlich. Denn im selben Atemzug beteuerte er, der Kriegseinsatz werde unverändert fortgesetzt. Das Sterben im fernen Afghanistan wird also weitergehen.
Ob es 2001 nach den Terroranschlägen auf New York und Washington richtig war oder nicht, in Afghanistan gemeinsam mit den Amerikanern einzumarschieren und den Spuk der Taliban-Herrschaft zu beenden, spielt keine Rolle mehr. Die Frage ist nur noch: Ist es richtig, heute, nach zehn Jahren, immer noch am Hindukusch zu kämpfen?
Viele renommierte Militärexperten haben ihr Urteil gesprochen: Dieser Krieg ist für die Nato nicht zu gewinnen. Deswegen kämpfen die westlichen Truppen dort in erster Linie für das Ansehen der Politiker in Washington, Berlin und anderen Hauptstädten. Denn diese wollen nicht akzeptieren, dass sie sich geschlagen aus dem von Stammesgegensätzen, religiösen Konflikten, Korruption und Kriminalität geprägten Land zurückziehen müssen. Afghanistan ist für jede von außen kommende Macht unregierbar. Das haben in der Geschichte nacheinander die Engländer, die Russen und jetzt die Amerikaner und ihre Verbündeten erfahren müssen.
Die Nato-Truppen probieren eine neue Strategie nach der anderen aus – keine führt zum Erfolg. Auch die „Partnering“ genannte Kooperation zwischen westlichen und einheimischen Truppen ist zum Scheitern verurteilt. Die Soldaten kommen aus verschiedenen Welten, und die Taliban sind längst auch in den Sicherheitskräften präsent.
Dass eine geordnete Übergabe stattfinden kann und dass die afghanische Armee und Polizei das Land dann im Sinne des Westens auf Kurs halten können – das sind Illusionen. Im besten Fall werden sich die Regierung in Kabul und die Taliban auf eine wie auch immer geartete Teilung der Macht einigen. Im ungünstigsten Fall übernehmen die Islamisten abermals die Macht, wie sie das nach dem Abzug der sowjetischen Truppen schon einmal taten.
Es ist höchste Zeit, den Rückzug aus Afghanistan anzutreten. Der Verteidigungsminister muss nicht Schneid zeigen, sondern Einsicht. Und Fürsorge für die Soldaten. Dazu gehört Mut. Ob Thomas de Maizière ihn hat?
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