Das war amateurhaft
Deutschlands Enthaltung und der Krieg in Libyen
Niemand vermag zur Stunde mit Gewissheit vorherzusagen, ob die militärische Intervention in Libyen den Schutz der Bevölkerung gewährleisten und die Sache der Freiheit voranbringen wird. Für den Augenblick geht es darum, den Triumph des Tyrannen über die Aufstandsbewegung zu verhindern und der ganzen arabischen Welt zu zeigen, dass ein Despot vom Schlage Gaddafis keinen Freibrief zur gewaltsamen Unterdrückung des eigenen Volkes hat. Diesem ehrenwerten, den Menschenrechten verpflichteten Zweck dient die Operation „Odyssey Dawn“, die im Auftrag der Vereinten Nationen erfolgt.
So richtig es war, Gaddafi in letzter Minute mit Waffengewalt in den Arm zu fallen: Es gibt keine Gewähr dafür, dass die Luftangriffe auf Stellungen und Nachschublinien Gaddafis rasch ihren Zweck erfüllen und den Libyern eine bessere Zukunft bescheren wird. Das gilt umso mehr, als es die in einen Bürgerkrieg eingreifende Anti-Gaddafi-Koalition mit einem zu allem entschlossenen Machthaber zu tun hat und das Ende des Abenteuers nicht hinreichend bedacht ist. Von einem Sturz Gaddafis, worauf es ja letztlich hinausläuft, ist im UN-Mandat keine Rede. So oder so besteht das hohe Risiko, in einen langen und blutigen Krieg hineingezogen zu werden. Die Bundesregierung hatte und hat also respektable Argumente, um eine militärische Beteiligung Deutschlands abzulehnen. Man darf zwar vermuten, dass mitten im Wahlkampf auch die Angst vor den Wählern und deren Abneigung gegen kriegerische Verwicklungen eine Rolle spielte. Aber ausschlaggebend war dies wohl nicht. Merkel und Westerwelle bewerten die Risiken der Intervention höher als die Chance, Libyen aus dem Würgegriff des Diktators zu befreien. Diese Einschätzung mag falsch sein; aber sie ist statthaft.
Auf einem ganz anderen Blatt steht die amateurhafte schwarz-gelbe Diplomatie, die Deutschlands Ansehen schwer beschädigt hat und die Zweifel an seiner Verlässlichkeit schürt. Deutschland hätte der UN-Resolution zustimmen können, ohne sich umgehend militärisch engagieren zu müssen. Stattdessen hat man sich enthalten, in einem Boot mit China und Russland Platz genommen und die engsten westlichen Verbündeten düpiert. Deutschland steht isoliert, Europa ohne gemeinsame Linie da. Und was soll die arabische Welt von jenen führenden deutschen Politikern halten, die große Reden auf die Freiheit und den demokratischen Aufbruch schwingen, und dann, wenn es zum Schwur kommt, in ein ängstliches Jein flüchten?
Bei allem Respekt vor der Risikoabschätzung Merkels und Westerwelles: Mit ihrer Enthaltung im UN-Sicherheitsrat hat die Regierung einen schweren außenpolitischen Schaden angerichtet.
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