Der Streit um das Betreuungsgeld
Keine Woche vergeht, in der es nicht irgendwo hakt und kracht. Frauenquote, Mindestlohn, Energiewende oder Zuschussrente: Es ist viel Sand im Getriebe.
Was für eine Blamage für die Bundesregierung! Zum dritten Mal schon muss die Verabschiedung des Betreuungsgeldes im Bundestag abgeblasen werden, weil sich CDU, CSU und FDP trotz monatelanger Gespräche nicht handelseinig sind und das Geschachere um einen Kompromiss kein Ende nimmt. Dieser Streit fügt sich nahtlos in das Bild von Koalitionären, die auf einer Vielzahl von Feldern miteinander im Clinch liegen und ohne gemeinsame Linie in das Wahljahr hineinstolpern.
Keine Woche vergeht, in der es nicht irgendwo hakt und kracht. Frauenquote, Mindestlohn, Energiewende oder Zuschussrente: Es ist viel Sand im Getriebe. Keiner der drei Parteien, schon gar nicht der am Abgrund stehenden FDP, kann an einem Bruch des Bündnisses und vorgezogenen Neuwahlen gelegen sein. Jede scheut das unkalkulierbare Risiko, das damit für sie verbunden wäre. Doch jede kämpft auf eigene Rechnung, wobei sich FDP und CSU mit ihren Profilierungsübungen besonders hervortun.
Weil die Angst vor dem Wähler noch größer ist als die Lust am parteipolitisch motivierten Muskelspiel, wird es auch im Tauziehen um das Betreuungsgeld nicht zum Äußersten kommen. Aber man sieht, an welch dünnem Faden Schwarz-Gelb inzwischen hängt. Ohne den disziplinierenden Druck der europäischen Schuldenkrise wäre diese Koalition vermutlich längst auseinandergeflogen. Und dass die Union in den Umfragen trotz des Durcheinanders besser als 2009 dasteht, hat mit dem persönlichen Ansehen Merkels und dem anhaltend schwachen bundespolitischen Erscheinungsbild der SPD zu tun. Die Sozialdemokratie ist mehr mit sich selbst und ihren zaudernden und einander belauernden „Troikanern“ als mit der Regierung beschäftigt. Deshalb kann sie die vielen Steilvorlagen, die ihr serviert werden, nicht nutzen. Das Betreuungsgeld für Eltern, die keine staatlich geförderte Kindertagesstätte in Anspruch nehmen und ihre Kleinen bis zum dritten Lebensjahr daheim erziehen wollen, wäre längst vom Tisch, wenn es der CSU-Vorsitzende Seehofer nicht mit der Brechstange zurück auf die Tagesordnung befördert hätte. Die Idee für diese neue familienpolitische Wohltat ist einst in der Großen Koalition geboren und von Schwarz-Gelb beschlossen worden – als „Geste der Anerkennung“ für die Kleinkindbetreuung zuhause und zum Beweis dafür, dass der Staat die elterliche Erziehungsleistung nicht geringer achtet als die Betreuung in staatlichen Einrichtungen.
CDU und FDP war das – aus guten Gründen – nie ein Herzensanliegen. Sie würden das viele Geld, wie SPD und Grüne auch, lieber in den Krippenausbau stecken und glauben, dass der Zuschuss viele Mütter vor einer raschen Rückkehr ins Erwerbsleben abhält. Aber sie haben dem Druck Seehofers, der das Thema zur Koalitionsfrage hochgeredet hat, nachgegeben. Natürlich will Seehofer demonstrieren, dass die CSU noch ein Herz für die Anhänger des traditionellen Familienbildes hat. So absurd allerdings, wie die „Herdprämie“ dargestellt wird, ist sie nicht. Denn warum sollte der Staat die privat organisierte Betreuung nicht unterstützen und so tun, als ob die frühe Erziehung im Kollektiv per se die bessere Lösung sei? Es ist jedenfalls nicht seine Aufgabe, den Eltern vorzuschreiben, wie sie es mit der Betreuung ihrer kleinen Kinder zu halten haben.
Weil Seehofer nicht zurückkann, die FDP im Wort steht und Schwarz-Gelb weitermachen will, beginnt nun das Gefeilsche um ein Kompensationsgeschäft. Die Union erfüllt der FDP einen Wunsch, damit sie Ja sagt. So geht es zu in einer Koalition, die sich nur noch mühsam über die Runden rettet.
Die Diskussion ist geschlossen.