Die gemeine Motte
Am Anfang war es nur ein Loch. So unscheinbar und doch so gemein. Und die Frage, woher es kommt, dieses Loch am Ärmel des Jacketts. War es Zigarettenglut? Ein unentdeckter Verarbeitungsfehler? Es wird doch nicht...
Zwei Monate später fördert der Griff in die meist unberührte Seite des Kleiderschranks das Ausmaß der Tragödie zutage. Das Jackett sieht aus wie ein Schweizer Käse. Löcher am Ärmel, Löcher vorne, Löcher hinten. Ratlosigkeit, auch bei der Verkäuferin im Bekleidungsgeschäft. „Was kann ich dafür, wenn Sie Motten haben?“, sagt sie. Und meint, dass das bei hundert Prozent Schurwolle durchaus vorkommen kann.
Soll man noch dankbar sein, dass die Motte, der Gourmet unter all dem Geziefer, beste Qualität zu schätzen weiß? Dass sie von der bloßen Baumwolle absieht. Und auch keine Lust hat, sich durch Synthetik zu futtern. Beim Klick ins Internet tun sich Abgründe auf. Schurwollmäntel, angefressen. Kamelhaarjacken, zerstört. Kaschmirpullover, dem Lochfraß zum Opfer gefallen. Mottenkugeln, steht da, gibt es nicht mehr. Und dass List und Tücke nötig sind, um den Plagegeistern beizukommen.
Mit Genugtuung alles gekauft, was die Verkäuferin im Drogeriemarkt empfiehlt. Mit Freude den Schrank geschrubbt und Riechmittel in Stellung gebracht. Und darauf gefreut, das ramponierte Stück in den Gefrierschrank zu legen. Sieben Tage, minus 18 Grad. Das überlebt keine Motte! Gesichtet habe ich das Tierchen bis heute nicht, weder lebendig noch erfroren. Ob es die gemeine Motte war? Ich weiß es nicht. Sie kann jedoch kommen. Ich bin vorbereitet.
Die Diskussion ist geschlossen.