Dilettantisch
Die Idee der grün-roten Landesregierung, einen "Volksabstimmungs-Knigge" zum Thema Stuttgart 21 zu verfassen, zeigt, wie wenig sich das frisch vermählte Paar über den Weg traut.
Nach Adolph von Knigge ist seit gut 220 Jahren das populärste Buch über Stil und Etikette benannt. Nun will die grün-rote Koalition in Baden-Württemberg einen Volksabstimmungs-Knigge verfassen, um ihren Dauerstreit über Stuttgart 21 zu mäßigen.
Nachhilfe in Sachen Umgangsformen in einer Polit-Ehe braucht zunächst die SPD. Natürlich muss sie sich angesichts der Differenzen mit anderen S-21-Befürwortern absprechen, auch wenn diese von der politischen Konkurrenz kommen. Doch bitte nicht so dilettantisch: Landes- und Fraktionschef der SPD treffen sich hinter dem Rücken des Koalitionspartners mit Landes- und Fraktionschef der CDU. Später gehen sie vor die Presse und sagen, das habe mit den Parteien nichts zu tun. Wem soll das einleuchten?
Das Bündnis der Projektgegner steht schon lange und ist den S-21-Unterstützern in Sachen Kampagnenfähigkeit meilenweit voraus. Ob in dieser Lage ein internes Regelwerk funktioniert, ist zweifelhaft. Kaum vorstellbar, dass alte Haudegen wie S-21-Vorbeter und SPD-Landtagsfraktionschef Claus Schmiedel oder der erbitterte Projektgegner und grüne Verkehrsminister Winfried Hermann stets in ihre Fibel schauen, bevor sie reden. Die Knigge-Idee macht aber eines offenkundig: wie wenig sich das frisch vermählte grün-rote Paar gegenseitig über den Weg traut.
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