Dreister Postenschacher
Als Koalition der neuen Bescheidenheit werden CDU, CSU und SPD nicht in die Geschichte eingehen.
Schon im Wahlkampf haben beide Lager mehr versprochen als sie finanzieren können – und auch jetzt, da die ersten Posten vergeben sind, kommt es aufs Geld offenbar nicht an. Damit der Betriebsfriede gewahrt bleibt, erhalten beide Fraktionen einen zusätzlichen Sitz im Präsidium des Bundestages, obwohl dort nur ein Platz frei wird, nämlich der des FDP-Mannes Hermann Otto Solms.
Das Argument mit der gestiegenen Arbeitsbelastung soll nur einen dreisten Fall von Postenschacher kaschieren. Da der Bundestag um eine Fraktion geschrumpft ist, die der FDP, funktioniert die alte Logik nicht mehr, nach der jede Fraktion einen Stellvertreterposten erhält. Doch statt einvernehmlich zu klären, an wen der fünfte Vize nun fällt, schaffen die künftigen Koalitionäre kurzerhand einen sechsten Platz. Den Sozialdemokraten hat das die Entscheidung zwischen den Ex-Ministerinnen Edelgard Bulmahn und Ulla Schmidt erspart. Nun sind beide gewählt.
Befremdliches Signal
Für ein Parlament, dessen Opposition am Rande der Wahrnehmungsschwelle operiert, ist das ein befremdliches Signal: Während Grüne und Linke darum kämpfen müssen, überhaupt einen Untersuchungsausschuss beantragen zu können, so klein sind ihre Fraktionen, machen sich Union und SPD an der Spitze des Bundestages noch breiter. Die Große Koalition steht zwar noch nicht – in prestigeträchtigen Personalfragen aber funktioniert sie schon beängstigend gut.
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