Ein Konflikt lädt sich auf
Nach dem NSU-Skandal muss Friedrich vor allem den Verfassungsschutz zügig umbauen.
Ein Agententhriller könnte nicht spannender sein. 500 Beamte überwachen drei Islamisten rund um die Uhr, sie fangen ihre Mails ab, verwanzen ihre Wohnungen und ihre Autos und tauschen am Ende unbemerkt das explosive Wasserstoffperoxid, das die Bombenbauer in einer Garage im Schwarzwald lagern, gegen eine harmlose Flüssigkeit aus. Danach nimmt ein Spezialkommando die Mitglieder der sogenannten Sauerlandgruppe fest. „Operation Alberich“, wie der Verfassungsschutz die Aktion nennt, ist geglückt.
Fünf Jahre später sind diese Meriten nicht mehr viel wert. Die Mordserie der Zwickauer Zelle hat gefährliche Lücken im Zuständigkeitsgeflecht der Verfassungsschützer sichtbar gemacht – aber auch sonst arbeiten die Sicherheitsbehörden offenbar nicht so korrekt und effizient, wie der Innenminister es sich wünscht. Beim Bundesamt für Verfassungsschutz ist der Präsident deshalb von sich aus in Ruhestand gegangen. Den Chef der Bundespolizei hat Hans-Peter Friedrich kühl in eben jenen versetzt, und an der Spitze des Bundeskriminalamtes ist der Wechsel ebenfalls nur noch eine Frage der Zeit. Dass die drei Personalien streng genommen wenig bis gar nichts miteinander zu tun haben, macht die Sache für Friedrich nicht besser. Publizistisch betrachtet ist er der Verlierer der Woche.
Das liegt auch an der defensiven Informationspolitik des Ministers. Haben Bundespolizisten nach Einsätzen in Bagdad und Kabul Spesen im großen Stil falsch abgerechnet? Haben ihre Chefs dies sogar gedeckt? Oder gibt es andere, persönlichere Motive, die Friedrich bewogen haben, Matthias Seeger und seine beiden Stellvertreter abzuberufen? Je länger die Hintergründe dieser Entscheidung im Unklaren bleiben, umso mehr lädt sich der Konflikt auf – zu Lasten des Innenministers, der weiß Gott größere Baustellen zu betreuen hat als die bei der Bundespolizei.
Nach dem NSU-Skandal muss Friedrich vor allem den Verfassungsschutz zügig umbauen. Das Kirchturmdenken einiger Ministerpräsidenten, die ihre Landesämter für Verfassungsschutz nicht zu größeren, schlagkräftigeren Einheiten zusammenlegen wollen, ist dabei eines der größten Hindernisse. Aber auch bei den Diensten selbst liegt einiges im Argen. Sie forschen bisher vor allem die Strukturen der jeweiligen Szenen aus: islamistische Zellen, rechte Kameradschaften oder die kommunistische Plattform der Linkspartei. Wenn sich im Dunstkreis solcher Milieus Einzelgänger radikalisieren, erfahren das auch die V-Leute des Verfassungsschutzes nicht oder erst viel zu spät. Schläge wie der gegen die Sauerlandgruppe sind die Ausnahme, nicht die Regel.
Dennoch haben auch Polizeibehörden und Nachrichtendienste ihren Anteil daran, dass Attentate wie die vom 11. September 2001 oder die auf die Londoner U-Bahn in Deutschland bislang ausgeblieben sind. Diese gefühlte Sicherheit, so trügerisch sie auch sein kann, wird kein Innenminister durch das leichtfertige Auswechseln von Spitzenbeamten gefährden. Dass Friedrich sich nicht nach seinem Ressort gedrängt hat, ist in Berlin ein offenes Geheimnis. Den Umkehrschluss, dass sein Amt ihn deshalb überfordert, ziehen die Kritiker des Ministers allerdings etwas zu früh. Wer sagt denn, dass Hans-Georg Maaßen den Verfassungsschutz schlechter führt als Heinz Fromm? Dass Dieter Romann bei der Bundespolizei überfordert ist?
Hier wie dort haben die Apparate ein bedenkliches Eigenleben geführt. Der Neuanfang bei Bundespolizei und Verfassungsschutz ist deshalb nicht nur für Maaßen und Romann eine Chance. Wenn sich beide bewähren, gewinnt am Ende auch der Verlierer der Woche.
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