Eine neue Armee
Die Bundeswehr steht vor einem Totalumbau – bei laufendem Betrieb
Der neue Verteidigungsminister ist entsetzt. Die Schwerfälligkeit der ministeriellen Maschinerie habe in der gesamten Bundeswehr zu „Versäumnissen und Fehlleistungen“ geführt, klagt der Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt, „prestigebetonte Kompetenzstreitigkeiten zwischen zivilen und militärischen Abteilungen“ führten zu Enttäuschung und Verbitterung der Truppe.
Die Sätze klingen aktuell und könnten von Thomas de Maizière stammen. Doch sie sind 42 Jahre alt. Im Jahre 1969 nahm der damalige Verteidigungsminister (und spätere Kanzler) Helmut Schmidt die desolaten Zustände in der Truppe zum Anlass, eine umfassende Reform der Bundeswehr durchzusetzen.
Vier Jahrzehnte und mehrere Regierungswechsel später ist wieder ein tiefer Schnitt notwendig. Wobei Thomas de Maizière, der neue Chef im Bendlerblock, vor einer ungleich höheren Herausforderung steht. Er muss die Quadratur des Kreises bewältigen – gleichzeitig 8,3 Milliarden Euro einsparen, die Sollstärke von 225000 auf 185000 Soldaten reduzieren, den Umbau von der Wehrpflicht- zur Freiwilligenarmee gestalten, die Attraktivität der Truppe erhöhen und die Zahl der Soldaten, die für einen Einsatz zur Verfügung stehen, auf 10000 aufstocken.
Wie ihm der Ausgleich zwischen diesen widersprüchlichen Zielen gelingen will, bleibt vorerst sein Geheimnis. Klar ist, mit ein paar kosmetischen Korrekturen, einigen symbolischen Standortschließungen und ein paar Eurofightern weniger ist es nicht getan.
Die Bundeswehr muss praktisch neu erfunden werden – und das bei laufendem Betrieb und den aktuellen Einsätzen in Afghanistan und auf dem Balkan. Noch radikaler als bisher muss die Planung vom Einsatz her gedacht und auf den Einsatz hin ausgerichtet werden. Das aber kann nicht ohne Folgen für die schwerfälligen und verkrusteten Apparate in der Heimat bleiben: angefangen vom völlig aufgeblähten Ministerium selber über die Kommandobehörden der Teilstreitkräfte bis hinunter zu den Stäben der Divisionen, Regimenter und Kompanien. Wenn eine Armee mit 225000 Mann am Ende ihrer Kapazitäten ist, wenn gerade einmal 7000 Soldaten im Einsatz sind, dann stimmt etwas nicht.
Thomas de Maizière hat ein schweres Erbe angetreten, die Widerstände gegen die Reformpläne sind enorm. Dass ausgerechnet jetzt Brandbriefe seines eigenen Ministeriums an die Öffentlichkeit gespielt werden, die ein schwarzes Bild von der Zukunft der Armee malen, ist wenig überraschend. Der Apparat macht mobil und schürt Panik. Er hat schließlich am meisten zu verlieren. De Maizières größte Widersacher sitzen im eigenen Haus. Aber das war schon bei Helmut Schmidt nicht anders.
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