Geiz ist alles andere als geil
Jetzt könnte man den moralischen Zeigefinger heben und sagen: Billig einkaufen ist unethisch. Doch das ist zu einfach.
Es ist die Zeit der Geschenke, und es ist eine wunderbare Zeit. Was gibt es Schöneres, als seine Lieben an Weihnachten zu überraschen? Konsum macht Spaß, auch Schenken macht Spaß – das wollen wir gar nicht schlechtreden. Trotzdem ist Weihnachten auch eine gute Zeit, um sich Gedanken über unseren Konsum zu machen. Über den Wohlstand, in dem viele in Deutschland leben. Und darüber, auf wessen Kosten wir es uns gut gehen lassen. Denn viele Produkte, die wir kaufen, entstehen unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen. In China und Indien, in Bangladesch und Pakistan, in Nicaragua und Ghana schuften Menschen wie Sklaven in Fabriken, damit der Käufer in Amerika oder Europa möglichst günstige Preise bekommt.
Im Kongo zum Beispiel schürfen Kinder in den Minen nach Gold oder graben nach Diamanten, statt zur Schule zu gehen. Hier kauft der Westen auch gerne die Seltenen Erden auf, die für die Herstellung von Handys und Computern benötigt werden. Regelmäßig sterben Arbeiter, wenn die Schächte einstürzen, weil es so etwas wie Sicherheitsbestimmungen nicht gibt. In Bangladesch, dem zweitgrößten Bekleidungsexporteur der Welt, sind im November 112 Menschen bei der Herstellung von Textilien verbrannt, die bei uns für einen Spottpreis zu kaufen sind.
Auch hier hat sich niemand um die Gesundheit und Sicherheit der Näherinnen gekümmert, dafür aber um den Profit. In Pakistan sind im September bei einem einzigen Brand in einer Fabrik mehr als 300 Menschen umgekommen. Und diese grausame Liste ließe sich fortsetzen. Nach jedem Unglück in den gefährlichen Produktionsstätten der Schwellen- und Entwicklungsländer ist die Empörung groß – und die Gewissensbisse sind klein. Werbeslogans wie „Geiz ist geil“ stehen dafür, was die meisten westlichen Wohlstandsbürger sind: Schnäppchenjäger. Die 2,99-Euro-Shirts der Billig-Textilketten oder die Discounter-Jeans für neun Euro gehen gut. Ohne die Ausbeutung hunderttausender Menschen gäbe es diese preiswerten Angebote nicht.
Jetzt könnte man den moralischen Zeigefinger heben und sagen: Billig einkaufen ist unethisch. Doch das ist zu einfach. Auch in Deutschland fehlt vielen Familien das Geld für teure Klamotten. Statt am Wühltisch würden sie dann gar nichts kaufen. Und der Näherin in Bangladesch, die wegen der boomenden Textilindustrie in ihrem Land mit einem Mindestlohn von 35 Euro die Familie ernähren kann, schaden wir, wenn wir Produkte aus Entwicklungsländern boykottieren. So hart es klingt: Für sie ist es besser, eine unmenschliche als gar keine Arbeit zu haben. Es sind außerdem nicht nur Billig-Hersteller, die in Entwicklungsländern produzieren lassen.
Auch Markenprodukte bieten keine Gewähr für gute Arbeitsbedingungen. In Pakistan zum Beispiel nähen kleine Buben in Hinterzimmern Fußbälle oder Poloshirts für namhafte Sportartikelhersteller. Und der berüchtigte chinesische Apple-Zulieferer Foxconn macht immer dann von sich reden, wenn sich Arbeiter aus Verzweiflung über die miserablen Arbeitsbedingungen umbringen.
Was also kann der Verbraucher tun? Er kann bewusst bei Firmen kaufen, die nach ethischen Grundsätzen produzieren. Er kann nachfragen, denn durch kritische Kunden erhöht sich der Druck. Und er kann Unternehmen boykottieren. Jeder kann seinen Konsum selber steuern. Ein Handy zum Beispiel muss nicht jedes Jahr durch ein schickes neues ersetzt werden. Der Fernseher kann bleiben, solange er funktioniert, auch wenn er nicht das neueste Modell ist. Und es reichen auch wenige hochwertige T-Shirts statt vieler Billig-Exemplare.
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