Obama kehrt als entzauberter Messias zurück nach Berlin
Obama muss heute vor dem Brandenburger Tor keine große historische Rede mehr halten wie John F. Kennedy. Er kommt nicht als Messias, sondern als ganz normaler Staatsgast.
Barack Obama hatte ein großes Ziel – und 200000 Menschen an der Siegessäule feierten ihn dafür. „Es ist an der Zeit, unseren Kindern ihre Zukunft zurückzugeben“, versprach der Wahlkämpfer aus Washington seinen deutschen Fans. Damals, im Juli 2008, schien für einen sonnigen Nachmittag lang fast alles möglich: Frieden im Nahen Osten, eine Welt ohne Atomwaffen, weniger Kohlendioxid in der Atmosphäre. Was Obama in Berlin auch thematisierte, stets schallte es aus dem Publikum zurück: „Yes, we can.“
Fünf Jahre später kehrt der amerikanische Präsident als entzauberter Messias in die deutsche Hauptstadt zurück. Noch immer sitzen mehr als 100 Gefangene in Guantanamo, noch immer ist es den USA mit dem Klimaschutz nicht ernst genug, und auch für die Krise im Nahen Osten hat der amerikanische Präsident noch immer keinen Plan. Neben den Dauerbaustellen der Weltpolitik wird Angela Merkel mit ihm aber noch ein anderes Problem zu erörtern haben: Warum amerikanische Geheimdienste auch die Telefon- und Internetdaten von unbescholtenen Bundesbürgern sammeln, kann (oder will) Obamas Administration bis heute niemandem erklären.
Geheimnistuerei rufschädigend für Obama
Für einen Präsidenten, der mit dem Anspruch angetreten ist, die transparenteste Regierung aller Zeiten anzuführen, ist diese pikierte Geheimnistuerei ähnlich rufschädigend wie das Ausspähen amerikanischer Journalisten, die kritisch über die Arbeit dieser Dienste berichten. In den USA hat Obama das inzwischen die ersten Vergleiche mit dem Watergate-Skandal in den siebziger Jahren eingebracht.
In Berlin wird die Kanzlerin ihre Bedenken vermutlich in etwas wolkigere Worte hüllen, ihren Gast an die richtige Balance zwischen Freiheit und Sicherheit erinnern, ihn aber auch nicht aus der Verantwortung entlassen. Obama kommt schließlich nicht als politischer Tourist nach Berlin, sondern als Handlungsreisender. Er will eine riesige Freihandelszone für Amerikaner und Europäer schaffen. Und die, das weiß er, wird umso schneller entstehen, je stärker sich die deutsche Kanzlerin für sein Projekt einsetzt, Europas mächtigste Frau.
Der Rest ist diplomatische Routine. Nach einer Phase des kühlen Abtastens haben Angela Merkel und Obama inzwischen auch persönlich einen Draht zueinandergefunden. Seit die Europäische Zentralbank die Märkte mit dem Versprechen beruhigt hat, sie werde den Euro um jeden Preis retten, ist auch ihr bislang heftigster Dissens eher theoretischer Natur: Dem US-Präsidenten, einem Anhänger der Politik des billigen Geldes, war Merkels Strategie der Stabilitätspakte und Schuldenbremsen stets suspekt. Umstimmen aber konnte auch er sie nicht, der mächtigste Mann der Welt.
Obama und Merkel sind sich nicht unähnlich
So unähnlich sind sie einander ohnehin nicht, was vielleicht auch daran liegt, dass beide viele Vorurteile überwinden mussten, um überhaupt in ihre Ämter zu kommen: Obama, der erste Schwarze an der Spitze seines Landes – und Angela Merkel, die erste Frau im Kanzleramt. Das prägt – und verbindet. Anders als Gerhard Schröder und George W. Bush, die der Streit um den Irak-Krieg am Ende auch persönlich entzweite, sind ihre Nachfolger mit den Jahren enger zusammengerückt, notgedrungen zum Teil, aber auch im Wissen, dass zur deutsch-amerikanischen Freundschaft eben auch ein halbwegs friktionsfreies Verhältnis der jeweils Regierenden gehört.
Deshalb muss Barack Obama heute vor dem Brandenburger Tor auch keine große historische Rede mehr halten wie John F. Kennedy vor 50 Jahren vor dem Rathaus Schöneberg. Er kommt schließlich nicht als Messias, sondern als ganz normaler Staatsgast.
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