Politiker müssen Konzerne erziehen
Die Staaten müssen das Heft des Handelns zurückerobern und Steuersätze international angleichen. Dann werden Großkapitalisten notgedrungen zu Steuerpatrioten.
Der Kapitalismus ist so gut und so böse, wie die Politik das will. Wenn vor allem amerikanische Global Player wie Google und Apple ihre Steuerlast dank Berater-Hundertschaften auf ein skandalös niedriges Niveau nach unten manipulieren, besagt das dreierlei: Erstens sind die Riesen nicht nur kreativ, wenn es um neue Produkte geht, sondern auch, wenn im Sinne der Aktionäre Staaten nur ein Almosen zugestanden wird.
Zum Zweiten offenbart die systematische Steuervermeidungs-Strategie, dass die dahinter stehenden Manager schlechte Staatsbürger sind und vergessen haben, dass Kapitalismus als beste aller Wirtschaftsformen nur dann gedeiht, wenn er auch soziale Blüten trägt. Und drittens, was der Kern des Skandals ist: Die vaterlandslosen Manager nutzen nur Freiheiten, die ihnen die Politik in Form mangelhafter, ja zur Umgehung regelrecht einladender, weil vor allem international nicht abgestimmter Steuergesetze zugesteht.
So schaffen es Google und Apple trotz Milliardenumsätzen, in krassen Fällen weniger Steuern als ein Mittelständler zu zahlen. Das ist für ein auf Gerechtigkeit fußendes Gemeinwesen unerträglich. Doch die Riesen gehen immer schamloser vor. Wie die Ratingagentur Moody’s vorrechnet, hat Apple allein durch eine Anleiheaktion mehr als neun Milliarden Dollar an Steuern gespart. Hintergrund des Zaubertricks ist, dass sich der steinreiche Konzern für eine Ausschüttung an die Aktionäre auf diese Weise Geld geliehen hat. Dafür zahlt das Unternehmen lieber etwa 300 Millionen Dollar Zinsen, anstatt große Teile seiner im Ausland lagernden Barreserven in die USA zurückzuholen. Dies hätte zur Folge, dass der Global Player in Amerika auf diese Milliarden Steuern von mindestens 35 Prozent zahlen müsste. Die auf den ersten Blick absurd anmutende Vorgehensweise spart Apple Unsummen. Politiker empören sich über diese Finanz-Kunststücke, sind aber nicht in der Lage, für Steuertrickser, um die Fußballersprache zu verwenden, weltweit die Räume eng zu machen. So lange gilt für Apple & Co der Reportersatz über einen bulgarischen Ballkünstler: „Balakow hat viel Raum – und Platz ohne Ende.“ Auch deutsche Konzerne genießen derlei Freiheiten und können sich – wenn auch bei weitem nicht so dreist wie US-Firmen – für den Fiskus ärmer rechnen, als sie sind. Das zeigt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Und das Manager Magazin hat nachgerechnet, wie viele Firmenbeteiligungen die 30 Dax-Konzerne in Steueroasen besitzen.
Das Ergebnis von 2485 Töchtern und die Erkenntnis, dass die Deutsche Bank hier am aktivsten ist, legt es nahe, die Steuervermeider zu einem Verhör vor ein parlamentarisches Gremium in Berlin zu laden, wie es in den USA üblich ist. Dort wurde Apple-Chef Tim Cook „gegrillt“, kritisch befragt. Leider ist das in Deutschland nicht möglich, dabei wohnt der Prozedur eine aufklärerische Kraft inne. Der Herr des von Anhängern vergötterten Apple-Konzerns musste irdisch argumentieren, wenn ihm Senator Carl Levin vorhielt, sich dank „Geisterfirmen“ den Steuerbehörden zu entziehen. Cook erwiderte: „Wir zahlen alle Steuern, die wir schulden.“ Der Manager sagt damit die Wahrheit, wenn auch nur einen kleinen Teil davon, sonst hätte er eingeräumt: „Wir zahlen zumindest die wenigen Steuern, die wir zahlen müssen, um uns nicht strafbar zu machen.“ Damit Manager Politiker nicht weiter ins Leere laufen lassen, gibt es einen Ausweg: Die Staaten müssen das Heft des Handelns gegenüber der Wirtschaft zurückerobern und Steuersätze international angleichen. Dann werden Großkapitalisten notgedrungen zu Steuerpatrioten.
Die Diskussion ist geschlossen.