Schlecker-Frauen und Opel-Männer
Obwohl Rösler für seine Haltung gute Argumente auf seiner Seite hat, gelang es ihm nicht, das den Bürgern auch näherzubringen.
Wirtschaftspolitik wird derzeit darauf verengt, ob man ein warmes oder kaltes Herz hat. Ein warmes Herz haben natürlich, und das besonders vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen, Sozialdemokraten. Sie umarmen alle zur Verfügung stehenden und hilflos wirkenden Arbeitnehmer. Dazu zählen Schlecker-Frauen wie Opel-Männer. Aber nicht nur in diesen Gefilden finden sich Wohltäter. Auch bei der CSU sitzt bei Ministerpräsident Horst Seehofer das Herz am rechten Fleck – eben bei den Schlecker-Frauen.
Derart vorgehende Politiker erwecken populistisch den Eindruck, den Schlecker-Beschäftigten hätte nur durch eine Transfergesellschaft geholfen werden können. Dafür wären rund 70 Millionen Euro an Bürgschaften notwendig gewesen, um einen entsprechenden Kredit der Staatsbank KfW abzusichern. Dabei ist eine Qualifizierungsgesellschaft nur ein probater Weg, Pleite-Opfern zu helfen. Die Arbeitsagenturen können das ebenfalls gut schultern, zumal es für die etwa 11000 Betroffenen der Schlecker-Pleite bundesweit rund 25000 offene Stellen gibt. Derartige Argumente gehen in der holzschnitzartig geführten Diskussion in Deutschland indes unter.
Das Niveau des Diskurses über ökonomische Fragen hängt maßgeblich vom politischen Personal ab. Weder Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler noch sein bayerischer Amtskollege und liberaler Parteifreund Martin Zeil verstehen es jedoch, komplizierte Themen wie das Für und Wider der staatlichen Hilfe für Firmen zu vermitteln.
Die Ereignisse der vergangenen Wochen zeigen, dass Wirtschaftspolitik deutscher Prägung konfus, inkonsequent und damit unverständlich wirkt. Obwohl Rösler für seine Haltung gute Argumente auf seiner Seite hat, gelang es ihm nicht, das den Bürgern auch näherzubringen. Der Wirtschaftsminister erweist sich immer mehr als Fehlbesetzung, etwa wenn er den leidgeprüften Schlecker-Frauen rät, sie müssten von sich aus eine „Anschlussverwendung“ finden – ein kalter Begriff, der Unwort des Jahres 2012 werden könnte. Der Publizist Harald Martenstein hat kundig aufgezeigt, dass dieses Wort in der Bundeswehrsprache heimisch ist und sich zum Beispiel auf Soldaten bezieht, die nach einem Einsatz in Afghanistan eine neue Tätigkeit erhalten sollen.
Rösler, der bei der Bundeswehr war, müsste um den Zynismus seiner Äußerung wissen. In solchen Momenten sehnt man sich einen Wirtschaftsminister wie Rainer Brüderle zurück, der im Fall Opel wie Schlecker gut erklärt hat, „warum der Staat nicht der bessere Unternehmer ist und den Wettbewerb nicht aushebeln darf“.
Im Fall der FDP stellt sich jedoch generell die Frage der Glaubwürdigkeit. Die Partei hatte erfolgreich dafür Lobbyarbeit betrieben, die Mehrwertsteuer für Hotels zu verringern und damit ihrer klassischen Klientel einen Gefallen getan. Auch deshalb kommen Liberale in Erklärungsnot, wenn sie den Schlecker-Frauen staatliche Wohltaten verwehren. Viele Bürger verstehen eine Wirtschaftspolitik nach Gusto nicht und wenden sich von den Parteien ab, etwa (was ein Treppenwitz der Geschichte ist) zu den weitgehend meinungslosen Piraten.
Am Ende bleibt ein Unbehagen gegenüber einer Politik, die mit Hunderten Rettungsmilliarden jongliert, den Sinn des Ganzen aber nicht zu erklären weiß. Dazu wäre ein Kommunikator von der Klasse eines Ludwig Erhard oder Otto Graf Lambsdorff notwendig. Als Trost haben die Deutschen zumindest mit Joachim Gauck im Präsidentenamt einen Mann, der einen klaren, auf Freiheit basierenden Politik-Kompass besitzt und seine Überzeugungen mit viel Herz in die Herzen der Menschen transportiert.
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