Warum Essen mehr wert sein muss
Wer Lebensmittel aus ökologisch verträglichem Anbau haben will, muss sich auch im Klaren darüber sein, dass dieser Mehrwert seinen Preis hat.
Der Skandal ist immer mit dabei. 2011 war es Dioxin, heuer sind es antibiotikaresistente Keime auf Hähnchenfleisch, die die Grüne Woche, die weltweit bedeutendste Agrarmesse, überschatten. Und wieder hat die Frage, wie sicher unser Essen ist, Tausende Demonstranten nach Berlin geführt. Mehr denn je fordern die Verbraucher sichere, gesunde sowie tier- und umweltverträglich produzierte Lebensmittel. Dafür dürfen sie aber nicht nur die Landwirte in die Pflicht nehmen. Unsere Nahrungsmittel müssen uns endlich wieder mehr wert sein.
Wer Lebensmittel aus ökologisch verträglichem Anbau haben will, muss sich auch im Klaren darüber sein, dass dieser Mehrwert seinen Preis hat. Ein Landwirt, der seinen Tieren mehr Platz und hochwertigeres Futter gönnt, kann zwangsläufig weniger Masse produzieren – und muss daher mehr für seine Ware verlangen. Nicht umsonst kostet das Kilo Bio-Hähnchenbrust um die 30 Euro. Ein Kunde, der im Supermarkt nur ein Drittel dessen bezahlt, sollte sich im Klaren darüber sein, dass das Fleisch nicht von Freilandhühnern stammen kann. Zu diesem Preis ist Öko-Landbau nicht möglich.
Umfragen belegen zwar, dass ein Großteil der Bevölkerung bereit ist, für hochwertige Lebensmittel mehr Geld auszugeben. Selbst Bioverbände stellen allerdings fest, dass Theorie und Praxis hier weit auseinanderklaffen. Wie sonst ist es zu erklären, dass der Anteil von Bioprodukten am Umsatz des Lebensmitteleinzelhandels gerade vier Prozent ausmacht. Nirgends in Europa geben die Bürger, gemessen am Einkommen, weniger für ihr Essen aus. Nirgends in Europa achten die Menschen so stark auf den Preis und so wenig auf Qualität – auch, weil Discounter diesen Wettbewerb massiv befeuert haben. Über Jahre hat sich so eine unheilvolle Spirale in Gang gesetzt: Wer nur kauft, was billig ist, sorgt damit erst für die Nachfrage nach Billiglebensmitteln, die nur industriell hergestellt werden können. Kunden, die durch das eigene Kaufverhalten die Massentierhaltung befördert haben und sich nun darüber beschweren, handeln gedankenlos.
Ein Großteil der Deutschen kann es sich leisten, bewusst einzukaufen. Was die Grundnahrungsmittel betrifft, haben die Verbraucher die Wahl. Fleisch und Eier können sie beim Direktvermarkter besorgen und sich handgemachte Semmeln vom Bäcker holen – statt Fertigteiglingen aus der Backstation. Anders sieht es bei weiterverarbeiteten Produkten aus. Wer weiß schon, ob in den Supermarkt-Nudeln nicht Käfigeier verarbeitet wurden? Und wer kann nachvollziehen, ob die Tiefkühlpizza nicht mit „Klebeschinken“ belegt wurde?
Selbst wenn der Kunde mehr Geld ausgibt, kann er sich nicht sicher sein, etwas Besseres zu bekommen. Denn der Schluss, wonach teures Essen automatisch hochwertiger ist, gilt nicht. Vielfach zahlt der Kunde nicht für Qualität, sondern für den Markennamen. Das zeigen Untersuchungen von Stiftung Warentest und Ökotest, bei denen häufig günstige Produkte auf den vorderen Plätzen landen. Den Qualitätsunterschied könnte allein eine aussagekräftige, verständliche Kennzeichnung deutlich machen. Noch immer aber verliert sich der Kunde im Kleingedruckten.
Dass Agrarministerin Ilse Aigner jetzt die Landwirte zu mehr Tierschutz verpflichten will, ist ein wichtiger, dass sie ein europäisches Tierwohl-Siegel etablieren will, ein entscheidender Schritt. Nur wenn der Verbraucher nachvollziehen kann, unter welchen Bedingungen Lebensmittel produziert wurden, kann er bewusst einkaufen. Ob sich die Landwirtschaft weiter in Richtung Agrarindustrie entwickelt oder den ökologischen Weg einschlägt, hat vor allem der Kunde in der Hand. Er hat Macht. Und die sollte er auch nutzen.
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