Wie die Musik eine schöne Sprache rettet
Nichts gegen den schönen fremden Mann und auch nichts gegen die Liebe, das seltsame Spiel. So ist Connie Francis in deutscher Erinnerung. Die Schlagersängerin der 50er und 60er Jahre sang aber auch viel Anspruchsvolleres. Ich bin zufällig darauf gestoßen, dass Connie Francis auch wunderbare jiddische Lieder sang. Kenner wissen das. Ein Nichtkenner wie ich staunt aber, wenn er die Sängerin der Barcarole in der Nacht auf einmal tief bewegend „Shein vi di levone“ singen hört und „Oifn Pripetchik“ und „Mamele“. Wunderbare Lieder in wunderbarer Sprache.
Jiddisch oder Yiddish ist ja ziemlich deutsch und doch ganz anders. Es hat sich Wörter aus vieler Herren Länder geangelt und eine Aussprache, die dem deutschen Wörterkern einen rauchigeren Charme gibt. Es ist, als hätte man Schnaps in Whisky verwandelt. Und immer umweht die jiddische Sprache eine Traurigkeit. Wie sollte es bei der Geschichte der Juden auch anders sein. Diese Sprache der Juden ist ganz eng an die deutsche Kultur gebunden, deren Opfer sie fast geworden wäre.
Die deutsche Kultur ist ohne die jüdische undenkbar
Auch das ist jüdisches Schicksal, dass Opfer und Täter kulturell wie aneinandergekettet sind. Die deutsche Kultur ist ohne die jüdische ohnehin undenkbar. Aber viele Juden verlören auch viel, würden sie die Gemeinsamkeiten der Kultur und der Geschichte verleugnen.
Das Jiddische ist so eine Gemeinsamkeit, auch wenn die Sprache für nur deutsche Ohren nicht leicht zu verstehen ist. Dass ein „pripetchik“ ein Herd und „di livone“ der Mond ist, muss einem schließlich gesagt werden. Das Jiddische hat wegen dieser Verbindung zum Deutschen eine Zeit des Vermeidens und der Vernachlässigung hinter sich. Aber es wird wieder gepflegt. Das ist schwer gegen mächtigere Sprachen wie Hebräisch und Englisch.
Die schönste Überlebenschance bietet die Musik. Es wird immer heißen: „Bay mir bistu sheyn.“ Die „Yiddishe Mame“ rettet auch die jiddische Sprache, ob die Mame nun von israelischen Sängern, von Connie Francis oder von Tom Jones besungen wird.
Die Musik als Sprachretterin kommt übrigens auch der deutschen Sprache zugute. Wir sind ja im Vergleich zum Englischen auch auf einem absteigenden Ast. Zu den schönsten Gründen, trotzdem Deutsch zu lernen, gehört die Musik. Heutzutage Tokio Hotel. Aber ich denke da mehr an Mozart und Wagner. Wo immer auf der Welt Oper gesungen wird, singt man früher oder später auch deutsch. Die Musik rettet vieles, auch manche Sprache.
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