Willkommen in der "Geisterstadt"
Wo lässt sich britische Alltagskultur besser erkunden als im Pub. Also rein ins „Friend at Hand“ am Russel Square. Das Lokal ist gut besucht. Auf drei Bildschirmen läuft Olympia, an der Decke hängen Nationenfahnen. London im Spiele-Fieber? Beim „Pub-Manager“, so weist ihn sein Schildchen auf der Brust aus, bestelle ich ein Bier. Natürlich nur die leichte Variante.
Ich frage ihn, wie er sich fühlt mit all den Olympia-Besuchern. Sie müssen doch großen Umsatz bringen. Er winkt ab. „So schlecht war das Geschäft um diese Jahreszeit noch nie“, klagt er. Auch von den anderen vielen Gaststätten seiner Kneipenkette hört er keine guten Nachrichten. Die Kunden bleiben aus. Viele Londoner haben bereits das Weite gesucht und sind in Urlaub gefahren.
Die Hauptstadt ist im Sommer ein sehr beliebtes Zielgebiet der Reisenden. Der normale Tourist macht aber in diesen Tagen lieber einen Bogen um die Themse-Schönheit, erkundet andere britische Sehenswürdigkeiten oder fährt gleich nach Paris, Rom oder Berlin. Es gibt Schätzungen, dass nur die Hälfte der 300000 rund um Olympia erwarteten Besucher in London Station machen. Eine Metropole auf dem Weg zur „Geisterstadt“?
Viele Touristen meiden London, weil sie von hohen Hotelpreisen und Meldungen vom bevorstehenden Verkehrsinfarkt abgeschreckt wurden. Den Tower besuchten vergangene Woche 56 Prozent weniger als im gleichen Zeitraum 2011. Olympia-Fans wollen nicht in ein altes Gefängnis, sondern in die Arena.
Im Pub hält sich das Interesse am Sport in Grenzen. Zwei Herren an der Bar bestreiten lieber ihren persönlichen Dreikampf. Der Meinungsaustausch, eine Art Poetry Slam für Nuschler, wird regelmäßig von Schweigeminuten und Bierbestellungen unterbrochen. Selbst als auf dem Bildschirm der Schwimmer Michael Phelps als erfolgreichster Medaillensammler aller Zeiten interviewt wird, ist ihnen das keine 90-Grad-Wendung an der Theke wert. Wahrscheinlich würde die mühsam aufrechterhaltene Standfestigkeit ernsthaft in Gefahr geraten.
Deshalb schauen sie lieber die Flaschengalerie hinter der Bar an. Es gilt, persönliche Prioritäten zu setzen – im Pub und im Geschäft.
Die Hotelmanager haben mittlerweile eingesehen, dass sie das Pokerspiel um Höchstpreise verloren haben und ihre Tarife kräftig gesenkt. Ein Kurztrip nach London würde sich lohnen. Das Problem: Tickets für Olympia sind immer noch kaum zu bekommen, obwohl einige Plätze in den Stadien frei bleiben.
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