Zehn Jahre nach dem Pisa-Schock
Das Gute am Pisa-Schock vor zehn Jahren war: Bildung stieg plötzlich zu einem zentralen Thema in der Politik, in den Medien und in der gesellschaftlichen Diskussion auf.
Der Pisa-Schock traf tief. Als vor zehn Jahren erstmals die OECD die Ergebnisse ihrer internationalen Bildungsstudie veröffentlichte, war es vorbei mit der selbstgefälligen Ruhe im bundesdeutschen Bildungswesen. Über Jahrzehnte hatte man sich auf Altbewährtes verlassen – und nun kam die Quittung. Die Schüler des Landes der Dichter und Denker waren nur Mittelmaß. Das dünn besiedelte Finnland, ein halbes Jahr lang in Winterdunkel gehüllt, hatte alle überflügelt. Deutsche Bildungspolitiker aller Parteien reisten nach Helsinki, um sich vor Ort ein Bild von den Pisa-Siegern zu machen.
Viele kamen ernüchtert zurück. Das finnische Erfolgsrezept ließ sich kaum auf die Schulen hierzulande übertragen. Das Gute am Pisa-Schock aber war: Bildung stieg plötzlich zu einem zentralen Thema in der Politik, in den Medien und in der gesellschaftlichen Diskussion auf. Der hohe Stellenwert von Bildung für die Wettbewerbsfähigkeit auf dem globalen Markt hatte sich im Bewusstsein der Nation etabliert.
Bayern konnte sich 2001 bundesweit zwar der besten Ergebnisse rühmen. Aber auch im Freistaat reifte die Erkenntnis, dass es zum Wohle aller war, Qualitätsstandards für alle Bundesländer verpflichtend zu erarbeiten. Damit wurde nicht an der Bildungshoheit der Länder gerüttelt und es sollte auch nicht der befürchtete „kleinste gemeinsame Nenner“ angepeilt werden.
Heute, zehn Jahre und einige internationale Schüler-Vergleichstests später, ist Bayern nach wie vor in der nationalen Spitzengruppe vertreten. Trotzdem hat sich im Freistaat viel verändert. Die Erkenntnis, dass der Grundstein für erfolgreiches Lernen bereits sehr früh gelegt werden muss, hat frühkindliche Bildung in die Kindergärten gebracht. Kindergärten und Grundschulen arbeiten zusammen, um Sprachdefizite bei Kindern aus Migrantenfamilien und bildungsfernen Elternhäusern auszugleichen. An den Grund-, Haupt- und jetzt an den Mittelschulen bekommen Schüler Förderunterricht.
Im ganzen Land gibt es immer mehr Ganztagsschulen. Nicht nur, weil sich die familiären Verhältnisse der Kinder und Jugendlichen verändert haben. Aus vielerlei Gründen ist nur noch in wenigen Familien die Mutter ganztags zu Hause und kann sich ums Mittagessen und die Hausaufgaben kümmern. Viele Eltern schätzen die Ganztagsschule aber auch, weil sie den Kindern die Möglichkeit zum Vertiefen des Stoffes und zum Üben bietet. War die Ganztagsschule früher in Bayern verpönt, so hat sich auch die CSU innerhalb weniger Jahre der gesellschaftlichen Realität gebeugt.
Einer Forderung der Pisa-Experten widersteht Bayern aber nach wie vor standhaft: An den Schulstrukturen wird nicht gerüttelt. Das gegliederte System, das Kinder im Alter von zehn Jahren auf unterschiedliche Bildungswege schickt, ist weltweit zwar nicht einmalig, aber doch höchst speziell. Nur in Österreich will man ebenfalls schon nach der vierten Jahrgangsstufe erkennen, ob ein Kind eine Mittelschul-, Realschul- oder Gymnasialbegabung hat. Natürlich ist das System nach allen Richtungen hin offen, Realschüler beispielsweise können über die Fachoberschule oder den beruflichen Bildungsweg ein Studium beginnen.
Ein Manko aber ist nicht behoben. Von Mal zu Mal hat die Pisa-Auswertung ergeben, dass vor allem in Bayern die soziale Herkunft immer noch das Bildungsergebnis der jungen Menschen beeinflusst. Das gibt auch Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle unumwunden zu. Nachdem aber schon in nur neun Jahren etwa 16 Prozent weniger Jugendliche die Schulen verlassen werden als heute, gilt es jedes Talent zu entdecken und zu fördern. Die Gesellschaft braucht jeden.
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