Im Gras ein Apfel rundes Schweigen...
Josef Guggenmos, den vor zwei Jahren verstorbenen Schriftsteller aus Irsee, kennt man gemeinhin als Verfasser von Kinderlyrik. Am erfolgreichsten wurde sein Gedichtband "Was denkt die Maus am Donnerstag", der wie alle Bücher des Autors bei weitem nicht nur Kinder entzückte. Dass Guggenmos, vor allem in den letzten Jahren seines Lebens, auch zahlreiche Haiku verfasste, ist dagegen kaum bekannt. Was nicht verwundert, wurde der weit überwiegende Teil dieser Kurzgedichte, deren Form japanischen Ursprungs ist, doch niemals veröffentlicht.
Von unserem Redaktionsmitglied Stefan Dosch
Überfällig war somit die Auswahl von 70 Haiku aus der Feder von Guggenmos, die jetzt in einem schmalen Bändchen, in schönem Layout mit viel Weißraum und gekoppelt mit Schwarzweiß-Illustrationen des japanischen Malers Itô Jakuchû, erschienen sind. Finden sich unter diesen Dreizeilern doch wahre Perlen, die Guggenmos nicht nur als einen Meister deutscher Sprache ausweisen, sondern auch als intimen Kenner des japanischen Gedichtvorbilds.
345 Beispiele
Guggenmos, der 1922 in Irsee geboren wurde und mit Ausnahme von Krieg und Studium dem Ostallgäuer Örtchen zeitlebens treu geblieben ist, beschäftigte sich mit dem Schreiben von Haiku hauptsächlich in zwei Perioden. Um die Jahreswende 1981/82 verfasste er 80 Gedichte. Erneut intensiv wandte er sich zwischen 1999 und 2002 dem Haiku zu, 250 Gedichte entstanden in dieser Zeit. Insgesamt sind 345 Haiku des Schriftstellers überliefert.
Guggenmos war prädestiniert für diese literarische Kleinform. Das japanische Haiku kreist thematisch um die Natur und darin traf diese Lyrik zusammen mit der großen Naturbegeisterung des Irseer Autors. Dessen Haiku waren, wie es im kenntnisreichen Nachwort der Herausgeber Stefan Wolfschütz und Andreas Wittbrodt heißt, "meist Mitbringsel von Streifzügen durch die Wälder um Irsee". Das Haiku entsprach der Wesensart des Schriftstellers: still verweilend, mit jeglicher Zeit zum Lauschen und zum Beobachten. Solche Haltung der Natur gegenüber fand ihren Ausdruck in Versen wie diesen:
Im Gras ein Apfel
rundes Schweigen, hingelegt
an den Rand der Welt.
Schlicht und streng ist die Form des Haiku. In der Abfolge 5-7-5 reihen sich 17 Silben aneinander, eine Beschränkung, unter der sich in den Händen eines Josef Guggenmos ein reicher Fächer zu entfalten vermochte, wie der Autor selbst fand:
Aus siebzehn Silben
winzig Erbautes, du mein
Alles, Hütte, Dom.
Aus der Könnerschaft, mit der Guggenmos seine Haiku schliff, sticht insbesondere die Klanglichkeit hervor. Bis auf den Buchstaben hin sind Rhythmus und Melodie der Sprache bedacht, sind Betonungen und Pausen gesetzt. Mit diesen Mitteln, und das macht die Qualität der Gedichte aus, formt Guggenmos aber nicht nur meisterliche akustische Gebilde; vielmehr schafft er damit auch jene inhaltlich-situative Prägnanz, die erst zum Gelingen eines Haiku beiträgt:
Libelle, jäh da,
blank, schlank, kurz still vor mir, jäh
aus meinem Leben.
In Josef Guggenmos' spätem Schaffen nahm das Haiku einen zentralen Stellenwert ein. So sehr fühlte der Schriftsteller sich diesem "winzig Erbauten" verbunden, dass er, schon einige Zeit vor seinem Tod, auch jenen Dreizeiler verfasste, der nun auf seinem Grabstein steht:
Immerzu geh, am
End steht er da, wartend, alt,
gütig und wissend.
:
96 Seiten, 9,80 Euro.
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