Jammernde Bäume neben der Rettungsinsel
Ulm Aus der Ferne meint der Betrachter eine vergrößerte Seekarte aus einem Schulatlas zu sehen, wie er ihn selbst und wie ihn auch Stephan Huber besaß. Beim Näherkommen verstört das Gesehene: Diese Seekarte zeigt eine fiktionale Welt - und doch eine existente: "Es ist meine emotionale Landkarte", sagt der in München lebende Allgäuer Bildhauer Stephan Huber.
Die Verortung des eigenen Innern als "Mypersonalsystem" lässt eine sehr individuelle Karte entstehen, die Schiffbruch-Areale ebenso enthält wie eine Rettungsinsel, abgelagerte Ideen, aktuelle Anregungen. Fiktive Realitäten lasse er entstehen, oder eben reale Fiktionen, sagt Stephan Huber. Sich eine Welt zu schaffen, eine schönere Welt, ist ein Antrieb des 58-Jährigen, dessen Ausstellung "From the bergs II" am heutigen Freitag um 19 Uhr im Ulmer Kunstverein eröffnet wird. Stephan Huber nutzt den Renaissance-Saal mit einigen großformatigen Objekten ideal aus, etwas schwierig für den Betrachter ist nur, dass sich die Geräusche, die zu dreien seiner Objekte gehören, im Saal mischen und die Konzentration auf Dauer erschweren. Stumm sind die enormen weißen Berge aus Dentalgips oder mit Goldglanz, mit denen er wiederum die Welt ein bisschen schöner schafft - denn obwohl sie an existenten Bergen ausgerichtet sind, "die Rückseiten habe ich schon schöner gestaltet als sie sind", gesteht Huber.
Eigentlich macht ihn künstlerisches Allmacht-Denken im schöpferischen Akt skeptisch, sagt er, und doch reizt es ihn immer wieder, die Welt anders zu formen. Seine großformatige digital bearbeitete Landkarte "Alte Welt/Neue Welt" erzählt davon: Schönheit und Gewalt existieren gleichberechtigt nebeneinander in dieser Psychogeografie der Nach-Moderne mit hedonistischen "Vanilla Suburbs" und Gucci-Favelas; die Erde ist hier in einem Umwandlungsprozess, frei von nationalen Grenzen, gestaltet von realen und philosophietheoretischen Brüchen und Zäsuren. Stimmen kommen dagegen aus anderen Kunstwerken, aus den "Jammernden Bäumen", aus der Bretterkiste, aus der die Stimme eines Allgäuer Bauern dringt, der die eigens und unter ziemlichen Schwierigkeiten in den Allgäuer Dialekt transponierten ersten Seiten aus Nietzsches "Also sprach Zarathustra" spricht. Stimmen kommen vor allem von der Video-Skulptur "Leibnitz´ Lust und Teufels Tod", ein faszinierendes Puppenspiel-Theaterstück, das die im Stück agierenden Marionetten selbst als Zuschauer betrachten. Eine surreal-intellektuelle Auseinandersetzung zwischen Kasperl, dem Teufel, Leibnitz, Theodor W. Adorno und Stephan Huber selbst spielt sich hier ab, bei dem am Ende der bayerische Kasperl selbstzufrieden als einziger auf der Bühne zurückbleibt. (köd)
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