Verfolgt, ermordet und verleumdet
Ulm "Spiel, Zigan": Operette und Volkslied prägen das Stereotyp von Freiheit und Ungebundenheit, das sich in den Köpfen mit Sinti und Roma verbindet. Das andere Stereotyp zeigt sich in einem Urteil des Bundesgerichtshofs von 1956 zur Begründung, warum der NS-Massenmord an den Sinti und Roma nicht aufgrund rassistischer Verfolgung geschehen sein sollte: "Die Zigeuner neigen zur Kriminalität, besonders zu Diebstählen und zu Betrügereien." Das Urteil, das sie mit "primitiven Urmenschen" verglich, hatte bis 1963 Bestand.
Die NS-Opfergruppe der Sinti und Roma steht in diesem Jahr im Mittelpunkt des vom Arbeitskreis 27. Januar veranstalteten Stadthausabends zum Gedenken für die Opfer des Nationalsozialismus am Donnerstag um 20 Uhr, dem eine Gedenkstunde um 14.30 Uhr auf dem Oberen Kuhberg vorausgeht. An diesem Abend wird die Kölner Historikerin Dr. Karola Fings über die Verleumdung, das Vergessen und Verdrängen des Schicksals der Sinti und Roma während des Zweiten Weltkriegs und danach referieren. Der (gekürzte) Film "Pappo der Schausteller" von 1995, der die hessische Schaustellerfamilie Strauß porträtiert, wird gezeigt. Dem Gespräch stellen sich dann der Vorsitzende des Landesverbands der Sinti und Roma in Baden-Württemberg, Daniel Strauß, ein Nachfahre dieser Familie und die Ulmer Sintezza Liane Winter. Auch bei Ulm gab es am Roten Berg eine Barackensiedlung für Sinti und ausgegrenzte Stadtbewohner. In dieser Barackensiedlung wurde 1932 Willi Eckstein geboren, der als Elfjähriger im Holocaust getötet wurde. Ein nach ihm benannter Weg in Ulm erinnert an den Sintojungen. Im NS-Massenmord an den Sinti und Roma, in der Sprache der Roma "Porajmos" genannt, kamen europaweit bis zu 500 000 Menschen ums Leben. Von den in Deutschland bis dahin lebenden 30 000 Sinti und Roma wurden 23 000 getötet, die Überlebenden zum Teil zwangssterilisiert. Die Sinti und Roma sind nach den Juden die größte Opfergruppe des NS-Systems.
Überlebende Sinti und Roma waren in der jungen Bundesrepublik vielfach wieder mit Tätern der NS-Zeit konfrontiert, die als Mediziner weiterarbeiteten oder als Beamte in den Landfahrerzentralen oder Landeskriminalämtern Posten bekamen. (köd)
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