Virtuelle Törtchen aus New York
Fast wie in echt: In Ulm trafen sich Berufsschüler als Chefs erfundener Firmen
Ulm 20 Stunden dauerte die Anreise: vom New Yorker John F. Kennedy International Airport über Amsterdam nach Frankfurt und dann mit Zug und Bus nach Ulm. Und jetzt steht Melissa Ruiz in Halle drei auf dem Messegelände und verkauft Versicherungen, die es gar nicht gibt. Zur Übung. Sogar eine Visitenkarte hat die 17-jährige New Yorkerin. „Chief Service Officer“ der Firma „Asap“ steht drauf. Hört sich wichtig an. Und ist es auch. Zumindest theoretisch für ihre Firma, die an der „Academy of Finance and Enterprise“ in Long Island (New York) gegründet wurde. Nebenan verkaufen Altersgenossen aus dem Nordosten der USA „Cupcakes“ – kleine Törtchen – in sieben Geschmacksrichtungen. Nur virtuell.
Real wirkt die 49. Internationale Übungsfirmenmesse durchaus, die noch bis einschließlich Donnerstag in den Ulmer Messehallen stattfindet. Echte Menschen an echten Ständen verkaufen aber unechte Waren und bezahlen mit unechter Kreditkarte mit echtem Magnetfeld. „Wir bringen mehr Praxis in die kaufmännische Ausbildung“, sagt Michael Loef, Leiter der Zentralstelle des „Deutschen Übungsfirmen-Rings“, der die gut 500 Übungsfirmen in Deutschland koordiniert. Eine Übungsfirma ist ein virtuelles Unternehmen für die kaufmännische Aus- und Weiterbildung, das unter Echtbedingungen handelt und wirtschaftet. In den Ulmer Messehallen präsentieren sich über 100. Zum ersten Mal ist eine Firma aus der Türkei (Denizli) dabei, die sich im Verkauf von Obst und Säften probiert. Die Tonne Kirschen verkauft Murat Suer für 1300 Euro. Bezahlt wird mit einer speziellen Kreditkarte, die jeder Besucher am Eingang der Messe für einen Euro kaufen kann. Über eine komplexe Software, die vom Übungsfirmenring bereitgestellt wird, laufen die Zahlvorgänge wie im wirklichen Leben ab. Zumindest fast. „Wir machen ab und zu einen Neustart“, sagt Edwin Sedelmeier-Szugfil, Lehrer an der Ulmer List-Schule. Denn, wo geübt werde, da laufe freilich nicht alles wie am Schnürchen. Vier Übungsfirmen gibt es bei der kaufmännischen Schule in der Ulmer Innenstadt. Eine etwa in Kooperation mit den Stadtwerken SWU, die Energie verkauft. „Nur nicht ganz so kompliziert.“ Die weit längere und kostspieligere Anreise hatte die 20-köpfige Delegation aus New York. „Die Finanzierung von so einer Reise ist nicht einfach“, sagt Irvin Wortman, ein Mann mit einem prächtigen Schnauzer, der sämtliche Übungsfirmen auf Long Island koordiniert. Vom Staat gebe es auch in den USA dafür keine Zuschüsse, sodass die einwöchige Reise fast komplett durch Spenden ermöglicht wurde. „Sightseeing“ dürfe dabei nicht zu kurz kommen. Heute soll’s aufs Münster gehen und auch der Schwarzwald steht auf der Liste. „Alles ist so gemütlich hier“, findet Melissa Ruiz. „Und ich liebe Spätzle“, sagt die New Yorkerin, die eigentlich hier ist, um Versicherungen zu verkaufen, die es gar nicht gibt. Nur der Spaß ist real.
Dieser Artikel ist hier noch nicht zu Ende, sondern unseren Abonnenten vorbehalten. Ihre Browser-Einstellungen verhindern leider, dass wir an dieser Stelle einen Hinweis auf unser Abo-Angebot ausspielen. Wenn Sie weiterlesen wollen, können Sie hier unser PLUS+ Angebot testen. Wenn Sie bereits PLUS+ Abonnent sind, .
Dieser Artikel ist hier noch nicht zu Ende, sondern unseren Abonnenten vorbehalten. Ihre Browser-Einstellungen verhindern leider, dass wir an dieser Stelle einen Hinweis auf unser Abo-Angebot ausspielen. Wenn Sie weiterlesen wollen, können Sie hier unser PLUS+ Angebot testen.
Die Diskussion ist geschlossen.