Von „Bio-Deutschen“ und anderen Vorurteilen
Der Autor und Zeit-Journalist Mohamed Amjahid ist der Ansicht, dass Weiße nicht bei Rassismus mitreden können. Eine Lesung in Ulm zeigt jedoch: Auch er selbst kommt nicht ganz ohne Stereotype aus
Der Saal der Museumsgesellschaft reichte kaum noch aus für die Zahl der Besucher, und Sitzplätze gab es beim Auftakt der fünften „Literaturwoche Donau“ längst nicht für alle: Florian L. Arnold und Rasmus Schoell ist es in den vergangenen Jahren gelungen, eine Veranstaltungsreihe zu etablieren, die in Ulm und Neu-Ulm gefehlt hatte. Literatur verschiedenster Spielarten, die Begegnung mit Autoren – und das an bisweilen auch ungewöhnlichen Orten. Zum Auftakt kam der 1988 in Frankfurt geborene und in Berlin lebende Journalist und Autor Mohamed Amjahid nach Ulm. Amjahid, marokkanischer Staatsbürger, brachte in diesem Jahr mit „Unter Weißen: Was es heißt, privilegiert zu sein“ heraus.
Der Titel klingt irritierend – ein bisschen wie Karl May. Dabei bezieht er sich auf Amjahids Grundsatz-These: Weiße könnten nicht mitreden, wenn es um Rassismus geht. Deshalb sollten Weiße, die er gern mit „Bio-Deutschen“ gleichsetzt, aufpassen, welche Worte sie wählen, wenn sie über Nicht-Weiße sprechen. Doch ist nicht auch schon „Bio-Deutscher“ rassistisch? Unfreiwillig belegt Mohamed Amjahid selbst, dass es auch ihm nicht möglich ist, ohne Vorurteile durchs Leben zu gehen. Und auch ihm passiert es bei allen Versuchen, in seiner Sprache nicht generalisierend zu sein, pauschal „der Engländer“ zu sagen, wenn er beispielsweise über die Kolonialzeit spricht. Moderiert von Dagmar Engels berichtete der „Zeit“-Journalist von seiner Kindheit als Sohn von als Gastarbeitern nach Deutschland gekommenen Eltern, von deren Rückkehr nach Marokko, als er sieben Jahre als war – und wiederum von seiner Rückkehr nach Deutschland, wo er in Berlin studierte. „Das Kind, das mal in Europa war“, sei er dort gewesen, schildert Mohamed Amjahid und erzählt von der Sehnsucht seiner Mutter nach einem hellhäutigen, blauäugigen Enkelkind. Die Unterdrückten in den ehemaligen Kolonien hätten in einer Art Mimikry die Sichtweisen der ehemaligen Herren verinnerlicht und stufen helle Hautfarbe für besser als dunkle Haut und als privilegierend ein. Unterdrückung in diesen Ländern sei ein Spiegel des von den Kolonialisten Erlebten, weil das Verhalten der ehemaligen Kolonialisten in den Köpfen der damals Beherrschten sitze.
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