Wo eine kranke Seele kein Tabu ist
Eva Straub hilft seit Jahrzehnten Angehörigen von psychisch Kranken. Sie weiß selbst, mit welchen Gefühlen und Konflikten diese Menschen mitunter zu kämpfen haben
Der erste Kontakt erfolgt meist telefonisch, erzählt Eva Straub, die Vorsitzende des Vereins der Angehörigen und Freunde psychisch Kranker in der Region 10 (ApK). Es sind beispielsweise Eltern, die anrufen, weil ihr Kind die Diagnose Schizophrenie erhalten hat und die sich nun hilflos fühlen und sich Sorgen machen. Oder es ist die Frau, die Angst hat, ihr Mann könne an Depressionen leiden. Noch hat kein Arzt die Diagnose bestätigt, aber sie möchte sich Rat holen, wie sie mit der Situation umgehen soll. Zögerlich würden die Angehörigen dann erst einmal erzählen, sagt Straub, doch meist platze der Knoten sehr schnell. „Solche Gespräche dauern oft stundenlang“, erklärt sie. Oft seien die Menschen sehr erleichtert, wenn sie endlich jemanden gefunden haben, mit dem sie über ihre Sorgen, Ängste und Probleme sprechen können, der ähnlich fühlt, wie sie selbst, der vieles selbst erlebt hat. Sonst stoßen viele der Angehörigen auf Unverständnis oder Kritik. Denn dem Verein gehören ausschließlich Personen an, die selbst psychisch kranke Angehörige haben. Er entstand aus einer Angehörigengruppe, die sich Anfang der 1980er Jahre in Ingolstadt formiert hat. Zum Angebot gehören Beratungen, Vorträge und natürlich auch Gruppensitzungen. So findet jeden ersten Dienstag im Monat um 18.30 Uhr ein Gesprächsabend in den Beratungsräumen des Haus Insel in Ingolstadt statt. Jeden dritten Donnerstag gibt es einen Themenabend mit Fachvorträgen, ebenfalls um 18.30 Uhr.
„Die Angehörigen haben einfach das Bedürfnis, zusammenzukommen, sich auszutauschen, über ihre Sorgen zu sprechen. Und das ganz ohne Scheu, belächelt oder kritisiert zu werden“, sagt Straub. Denn die Probleme, die Angehörige psychisch kranker Menschen haben, können sie nicht einfach einmal mit der Kollegin oder Nachbarin besprechen, so wie man es normalerweise tut, wenn man beispielsweise Rückenschmerzen habe, sagt Straub. Oft genug komme es vor, dass psychisch Kranke und deren Angehörige von der Gesellschaft regelrecht stigmatisiert würden. Es sei für viele immer noch ein Tabu, offen darüber zu sprechen, man fürchte negative Konsequenzen. Auch verstehe das Gegenüber die Situation einfach nicht, sei damit überfordert. Denn welchen Rat soll ein Außenstehender auch geben, wenn ihm erzählt wird, dass der Sohn Stimmen aus der Heizung hört? Wenn der Bruder einfach ins Ausland verschwindet, weil er sich vom Geheimdienst verfolgt fühlt? Oder die Ehefrau sich beobachtet fühlt von einem Mann, der eigentlich nur auf den Bus wartet? „Bei uns ist es eben eine Gemeinschaft unter Gleichbetroffenen, die auch Verständnis für die unmöglichsten Situationen hat“, sagt Straub. Man könne hier Erfahrungen untereinander austauschen, die so eben niemand sonst gemacht hat. „Auch die behandelnden Ärzte nicht“, sagt Straub. Dabei gelte die Schweigepflicht – für Beratungen am Telefon genauso wie für die Gruppentreffen. „Alles, was in der Gruppe besprochen wird, bleibt auch in der Gruppe“, erklärt sie. Bei Eva Straub ist es der Sohn, der mit Anfang 20 an Schizophrenie erkrankt ist. Das ist jetzt rund 30 Jahre her. Auch sie dachte von Anbeginn wie viele Angehörige auch, dass die Krankheit nach einer umfassenden Behandlung und einem Klinikaufenthalt möglichst schnell wieder verschwinden werde. Doch gerade psychische Erkrankungen sind langwierig, oftmals leiden Betroffene ein Leben lang darunter. „Es ist daher heilsam, das den Angehörigen gleich von Anbeginn zu sagen, denn das erspart ihnen Enttäuschungen“, sagt Straub. Für ihr jahrelanges ehrenamtliches Engagement (sie war auch unter anderem Vorsitzende des Bundesverbands der Angehörigen psychisch Kranker) wurde sie mit mehreren Auszeichnungen bedacht, unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz oder aber jüngst mit der Bayerischen Staatsmedaille für Verdienste um Gesundheit und Pflege.
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