14 Jahre Haft für Attentat auf Kölner Politikerin Henriette Reker
Nach dem Attentat auf Henriette Reker wurde jetzt der Täter verurteilt. Warum die Prognose eines Psychiaters für Frank S. keine gute ist.
Für das Attentat auf die heutige Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat das Düsseldorfer Oberlandesgericht 14 Jahre Haft verhängt. Das Gericht sprach den 45 Jahre alten Attentäter am Freitag wegen versuchten Mordes schuldig.
Die Beweislage ist ziemlich klar: Am 17. Oktober 2015 liegt Henriette Reker in Köln-Braunsfeld an einem Wahlkampfstand auf dem Boden. Sie blutet aus Mund und Nase - ihr Leben hängt am seidenen Faden. Mit ihrer bloßen Hand versucht sie, die Blutung zu drosseln. Als sie einen Tag später dennoch zur Oberbürgermeisterin von Köln gewählt wird, liegt sie im Koma.
Am Tatort wartet der 45-jährige Frank S. seelenruhig auf seine Festnahme. Er hat, so scheint es, sein Ziel erreicht. Der Rechtsradikale hat sich Reker mit freundlicher Miene genähert und sie nach einer Rose gefragt. Als sie ihm die Blume reicht, zückt er, wie er es geübt hat, sein riesiges Jagdmesser, Typ Rambo III, und rammt es der 59-Jährigen in den Hals. Die Messerspitze lässt Rekers Brustwirbel splittern. Der Attentäter verfehlt Halsschlagader und Rückenmark um Haaresbreite.
Der Mann ist kein unbeschriebenes Blatt. Mitte der 1990er Jahre war er in der rechten Szene aktiv. Er ist bei den Neonazi-Aufmärschen für Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß mitmarschiert. Auf seinem Bauch prangt aus dieser Zeit eine große Tätowierung in Frakturschrift: "Berserker Bonn", eine rechte Schlägertruppe.
Doch bevor Frank S. zum rechten Gewalttäter wurde, war er vor allem Opfer. Als kleines Kind wurde er - mit vier oder fünf Jahren - von seinen Eltern in einer Düsseldorfer Wohnung einfach zurückgelassen. Tagelang füttert er seine jüngeren Geschwister.
Als kein Essen mehr da ist, klopft er bei den Nachbarn - und kommt erst ins Heim, dann nach Bonn in eine Pflegefamilie. "Er war ein ganz, ganz armer Junge", erinnert sich seine Pflegemutter. Sie entdeckt an seinem Körper eine Brandwunde, als wäre ihm dort absichtlich ein heißes Bügeleisen auf die Haut gedrückt worden.
In der Pflegefamilie wird es kaum besser: Er wird vom Pflegevater geschlagen und von der Familie ausgegrenzt. Ersatz findet Frank S. in der rechten Szene. Bald trägt er Springerstiefel mit weißen Schnürsenkeln, begeht eine Reihe überwiegend rechtsradikal motivierter Gewalttaten, für die er drei Jahre im Gefängnis sitzt.
Nach seiner Haftentlassung zieht er nach Köln, weg von den Neonazi-Kreisen. Weil er lange genug straffrei gelebt hat, gilt er inzwischen juristisch als nicht vorbestraft. Doch in Köln ist er häufig arbeitslos, hat kaum noch soziale Kontakte, verkriecht sich in seiner kleinen Wohnung.
Sein Tor zur Welt ist das Internet, und dort ergießt sich in den Monaten vor der Tat wegen des Flüchtlingszuzugs besonders viel fremdenfeindlicher Hass.
Reker-Attentäter macht Politiker für seine Situation verantwortlich
Frank S. ist dafür empfänglich, macht die Politik für seine eigene Situation verantwortlich, allen voran Bundeskanzlerin Angela Merkel und die in Köln bis dato für Flüchtlinge zuständige Henriette Reker.
"Wenn Worte wie "Volksverräter" und "Lügenpresse" lang genug spazieren gehen, geht auch mal ein Messer spazieren", wird Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller später über das Attentat sagen. Auf der Anklagebank sitzt jener breitschultrige, kahlgeschorene große Mann, der mit zwei Messern spazieren ging.
Der arbeitslose Anstreicher bestreitet vehement, dass er mit seinem riesigen Messer weitere Menschen verletzt hat, obwohl an dessen Klinge Blut von drei Opfern klebt und Beweisfotos riesige klaffende Wunden zeigen. Er bestreitet, dass er Reker töten wollte, obwohl er dies nach der Tat mehreren Polizisten bekennt ("Ich hoffe, dass sie noch stirbt.").
Gutachter und Zeugen hätten sich gegen ihn verschworen, er habe sich, was die vier weiteren Verletzten angeht, lediglich gegen einen Lynchmob gewehrt, sagt er. Der vermeintliche Lynchmob, das sind CDU-Wahlkampfhelferinnen, gutbürgerliche Damen jenseits der 50.
Psychiater Prof. Norbert Leygraf hat den Angeklagten begutachtet. Der wittere überall Feindseligkeiten und wähne sich in der Opferrolle, was für seine Kindheit durchaus zutreffend gewesen sei, erklärt der Sachverständige. Die habe ihn geprägt und so sei ein Weltbild mit wahnhaften Zügen entstanden. Voll schuldfähig sei er dennoch.
Die Prognose ist keine gute: Um Frank S. dazu zu bringen, sich zu ändern, werde es viele Jahre dauern und sehr viel Geduld erfordern, sagt Leygraf. Denn der Attentäter werde gemäß seiner Weltsicht jeden Therapeuten dem verhassten "System" zurechnen. dpa
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