37 Tote nach Meuterei in Gefängnis in Venezuela
Die Lage im Krisenland Venezuela ist dramatisch, gerade auch in den Gefängnissen. In einem abgelegenen Gefängnis in der Amazonasregion kommt es zu einem Blutbad.
Bei der Erstürmung eines Gefängnisses durch Sicherheitskräfte sind in Venezuela mindestens 37 Häftlinge getötet worden. Das teilte der Gouverneur des Bundesstaates Amazonas, Liborio Guarulla, mit. Zu der Eskalation kam es am Mittwoch (Ortszeit) in Puerto Ayacucho, als das Gefängnis von Polizei- und Militäreinheiten gestürmt wurde, um den Inhaftierten Waffen abzunehmen, die dort hineingeschmuggelt worden waren. Guarulla kritisierte den Einsatz scharf und sprach von einem "Massaker".
Venezuela: 37 Tote nach Gefängnis-Erstürmung
Die Generalstaatsanwaltschaft Venezuelas teilte mit, es habe auch 14 Verletzte unter den Sicherheitskräften gegeben. Laut Zeugenberichten kam es bei der Erstürmung des Gefängnisses zu wilden Schießereien zwischen Sicherheitskräften und Gefangenen. Die meisten überlebenden Insassen wurden in Militäreinrichtungen gebracht.
Puerto Ayacucho liegt am Orinoco im tropischen Regenwaldgebiet an der Grenze zu Kolumbien, 700 Kilometer südlich der Hauptstadt Caracas. Bei der Einrichtung handele es sich um eine Einrichtung für Personen in Untersuchungshaft, die auf ihren Prozess warten, sagte Guarulla. Nach Angaben des Gouverneurs saßen dort zuletzt 105 Häftlinge ein. Im örtlichen Krankenhaus seien 37 Leichen gezählt worden, mehr als jeder Dritte von ihnen sei nun also tot.
Vor einem Jahr war Guarulla zufolge in dem Gefängnis ein inhaftierter Kämpfer der kolumbianischen ELN-Guerilla ("Ejército de Liberación Nacional") gestorben. Die Guerilla, die im kolumbianisch-venezolanischen Grenzgebiet aktiv ist, habe seinen Tod rächen wollen. "Die Inhaftierten haben sich bewaffnet, um für eine Aktion der Guerilla gewappnet zu sein." Die Behörden hätten daraufhin ihre Entwaffnung angekündigt. Das habe zu der Erstürmung geführt.
Guarulla ist indigener Abstammung und gehört der Partei Movimiento Progresista de Venezuela an, die zum Oppositionsbündnis "Mesa de la Unidad Democrática" (MUD) gehört. Der MUD wirft dem sozialistischen Staatschef Nicolás Maduro die Umwandlung des Staates in eine Diktatur vor.
Sicherheitslage in Venezuela angespannt
Die Sicherheitslage im Land mit den größten Ölreserven ist extrem angespannt, die Lage in den Gefängnissen auch wegen der Versorgungskrise katastrophal. Viele Häftlinge sind abgemagert, zuletzt kam es gehäuft zu Aufständen. Im April starben in Barcelona an der Karibikküste zwölf Menschen.
Wegen jahrelanger Misswirtschaft und der gesunkenen Öleinnahmen steht Venezuela am Rande des Ruins. 95 Prozent der Exporteinnahmen kommen aus dem Ölverkauf. Wegen der höchsten Inflation der Welt wird der Import von Lebensmitteln, die in Dollars und Euros zu bezahlen sind, immer schwieriger. Überall gibt es Schlangen vor Supermärkten, deren Regale oft leer sind. Bäckereien fehlt sogar Mehl zum Backen, da auch die heimische Landwirtschaft in vielen Regionen daniederliegt.
Es gibt sogar Berichte, dass Zootiere wie Wildschweine und Pferde aus Gehegen gestohlen werden, um ihr Fleisch zu verzehren. Laut einer Studie haben 75 Prozent der Venezolaner seit 2014 mehrere Kilogramm an Gewicht verloren - die Gefängnisse sind ein Spiegelbild der Krise. Venezuela leidet seit Jahren unter sehr hohen Mordraten und Gewalt.
Im Mai war Gouverneur Guarulla, der seit 2001 den Bundesstaat regiert, laut einem Bericht des Portals "El Nacional" mit einem 15 Jahre währenden Verbot für Kandidaturen bei Wahlen belegt worden - damit könnte er auch im Dezember bei den Regionalwahlen nicht antreten. Er hatte wiederholt vom "Roten Regime" Maduros gesprochen.
Bei Protesten und Unruhen kamen seit Anfang April über 120 Menschen in Venezuela ums Leben. Seit Monaten versuchen die Sicherheitskräfte, Proteste gewaltsam zu unterdrücken. Eine von Maduro eingesetzte Verfassungsgebende Versammlung, die als übergeordnetes Staatsorgan das von der Opposition dominierte Parlament entmachtet hat, berät über neue Höchststrafen - demnach könnten für schwere Verbrechen und "Vaterlandsverrat" künftig bis zu 50 Jahre Gefängnis drohen. Georg Ismar und Néstor Rojas, dpa
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