Baby Lara Mia: Stiefvater zu Haftstrafe verurteilt
Ein neun Monate altes Mädchen stirbt in Hamburg - zum Todeszeitpunkt ist das Kind stark unterernährt. Jetzt fällt im Prozess ein überraschend hohes Urteil gegen den Stiefvater.
Hervorstehende Rippen, faltige Haut und eingefallenes Gesicht - als Lara Mia im Alter von neun Monaten stirbt, ist sie so abgemagert, dass sie in Windeln für Neugeborene passt. Mit 4,8 Kilogramm wiegt sie nur etwa halb so viel wie in ihrem Alter normal. Als Mutter und Stiefvater sie am Morgen des 11. März 2009 leblos in ihrem Kinderbett auffinden, rufen sie den Rettungsdienst. Am Telefon erhält der Stiefvater noch Anweisungen für Wiederbelebungsmaßnahmen. Doch zu diesem Zeitpunkt ist Lara Mia längst tot.
Wegen versuchten Totschlags durch Unterlassen, gefährlicher Körperverletzung und Verletzung der Fürsorgepflicht muss der 29 Jahre alte Stiefvater nun für drei Jahre und acht Monate ins Gefängnis. Das Strafmaß liegt damit deutlich über der Forderung der Staatsanwaltschaft, die auf eine Bewährungsstrafe plädiert hatte.
Lara Mia hätte nicht sterben müssen
"Spätestens einen Monat vor dem Tod erkannte der Angeklagte, dass das Kind ohne ärztliche Hilfe sterben könnte", begründet Richter Georg Halbach sein Urteil vor dem Hamburger Landgericht am Donnerstag. Wäre der Angeklagte zu dem Zeitpunkt mit Lara Mia zum Arzt gegangen, hätte das kleine Mädchen "bei intensivmedizinischer Versorgung mit großer Wahrscheinlichkeit überlebt", sagte der Vorsitzende Richter weiter. Stattdessen habe er mit angesehen, wie Lara Mia immer weiter abmagert und ihren Tod damit "billigend in Kauf genommen". Regungslos nimmt der Stiefvater das Urteil entgehen.
Lara Mia kommt als gesundes, normalgewichtiges Kind zur Welt. "Sie entwickelt sich in den ersten Monaten altersgerecht", sagt der Richter. Von dem leiblichen Vater trennt sich die Mutter schon zu Beginn der Schwangerschaft. Sie zieht mit ihrem neuen Partner zusammen und bekommt vom Jugendamt eine Familienhelferin zur Seite gestellt, die regelmäßig zu Besuch kommt.
Spätestens ab Herbst 2008 magert Lara Mia zusehends ab. Über Monate hinweg erhält sie "nicht die für sie nötige Kalorienzufuhr, höchstens die Hälfte", heißt es im Urteil. Die Vorsorgeuntersuchungen beim Arzt nimmt die Mutter nicht mehr wahr. Dies wird von der Familienhilfe nicht kontrolliert. Lara Mias Tante fällt die Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Kindes auf - mehrfach informiert sie das Jugendamt darüber. Dieses sieht jedoch keine Kindeswohlgefährdung.
Lara Mias Stiefvater lehnt Hilfe ab
Die Tante drängt auf einen Besuch beim Arzt und bietet auch dem Angeklagten ihre Hilfe an - dieser lehnt jedoch ab. Auch eine Nachbarin, die dem Stiefvater nach einem Wasserschaden in der Wohnung beim Aufwischen hilft, erkennt die Unterernährung des Kindes. Doch auch von ihr lässt er sich nicht helfen, angeblich um die Beziehung zu seiner Freundin nicht zu gefährden. Der Angeklagte "konnte sich gegen die Mutter nicht durchsetzen", sagte Richter Halbach.
Während des gesamten Prozesses schweigt der Angeklagte zu den Vorwürfen. Jedoch werden die Aussagen, die er kurz nach dem Tod des Mädchen bei der Polizei gemacht hat, im Prozess zugelassen. Damals gab er an, er habe Angst vor dem Termin beim Arzt gehabt und zudem befürchtet, "dass das Jugendamt sie uns wegnimmt". Auf die Frage, ob er sich ausreichend um sie gekümmert habe, antwortete er: "Nicht wirklich, sonst wäre sie ja noch am Leben."
Ob die Unterernährung zu Lara Mias Tod führt, kann trotz dreier medizinischer Gutachten nicht restlos geklärt werden. Dies sei zwar "höchstwahrscheinlich", jedoch sei auch ein plötzlicher Kindstod möglich. Da die Taten laut Urteil nach dem 21. Geburtstag des Angeklagten begangen wurden, wird er nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt. Die Verteidigung hat auf eine Bewährungsstrafe nach Jugendstrafrecht plädiert. Sie will nun in Revision gehen.
Acht Jahre nach Lara Mias Tod endlich ein Urteil
Nach Ansicht des Verteidigers liegt der Grund für Lara Mias Tod bei dem Versagen der Familienhelferin, die dem Angeklagten gesagt habe, es reiche aus zum Arzt zu gehen, wenn sie aus ihrem Urlaub zurück sei. Damit sei bewiesen, dass der Angeklagte "den Todeseintritt nicht billigend in Kauf genommen" habe, so der Verteidiger. "Der Lehrer muss schlauer sein als der Lehrling", sagt er weiter.
Der Angeklagte erhält mit dem Urteil ein höheres Strafmaß als die Mutter, die bereits eine dreijährige Haftstrafe verbüßt hat. Beide wurden 2010 zunächst zu Bewährungsstrafen verurteilt, jedoch ging die Staatsanwaltschaft damals in Revision. Der Angeklagte galt lange als nicht verhandlungsfähig und so wurde er nun erst acht Jahre nach dem Tod des Babys erneut verurteilt. dpa
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