Brand in Gefängnis: Zahl der Toten steigt auf 377
Nach dem Feuer im völlig überbelegten Gefängnis in Honduras werden jetzt Vorwürfe erhoben: Haben die Wachen die Gefängnistüren nicht geöffnet?
Bei dem verheerenden Gefängnisbrand in Honduras sind nach jüngsten Angaben der Polizei 377 Häftlinge ums Leben gekommen. Mehr als 350 Tote wurden den Behörden zufolge in Leichenschauhäuser der Hauptstadt Tegucigalpa gebracht. 475 Häftlinge, die die Flammenhölle in dem völlig überbelegten Gefängnis von Comayagua überlebt hatten, wurden an anderen Orten untergebracht, wie Sicherheitsminister Pompeyo Bonilla mitteilte.
Das Gefängnis war überfüllt
Der Brand war unter noch ungeklärten Umständen in der Haftanstalt rund 120 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt des mittelamerikanischen Landes ausgebrochen. Zum Zeitpunkt der Katastrophe büßten dort weit über 800 Häftlinge ihre Strafen ab. Das Gefängnis ist aber nur für rund 400 Insassen ausgelegt.
Die meisten Häftlinge verbrannten oder erstickten in giftigen Rauchwolken, weil ihre Zellen nicht rechtzeitig geöffnet wurden. Die genaue Zahl der Todesopfer stand auch am Mittwochabend (Ortszeit) noch nicht endgültig fest. Dutzende von Gefangenen wurden zum Teil schwer verletzt. In einem Krankenhaus erlagen am Nachmittag zwei Männer ihren schweren Brandverletzungen.
Hunderte von Familienangehörigen protestierten gegen die Überführung der Toten nach Tegucigalpa und verlangten vor dem schwer zerstörten Gefängniskomplex die Herausgabe der Leichen. Lucy Marrder, Chefin der nationalen Gerichtsmedizin, sagte, es werde mindestens drei Tage dauern, bis die Opfer identifiziert seien. Chile schickte ein Team von Spezialisten, um den Honduranern Hilfe zu leisten.
Im Gefängnis hielten sich 900 Insassen auf
Präsident Lobo suspendierte für die Dauer der Untersuchungen sowohl Gefängnischef Orellana als auch seinen Stellvertreter Abraham Figueroa sowie andere Verantwortliche des Justizvollzugs. Die 24 Haftanstalten des zentralamerikanischen Staates sind für 8000 Insassen ausgelegt, beherbergen aber insgesamt rund 13.000.
In dem Gefängnis hielten sich bei Beginn des Brandes am Dienstag um 22.50 Uhr Ortszeit (Mittwoch 05.50 Uhr MEZ) rund 900 Insassen auf. Präsident Porfirio Lobo sagte eine "transparente" Untersuchung der Vorgänge zu. Er sprach von einer "inakzeptablen Tragödie". Als wahrscheinlichste Brandursachen galten eine Brandstiftung durch einen Insassen oder ein Kurzschluss.
Angehörige erheben schwere Vorwürfe
"Die Wachen haben die Tür nicht geöffnet", sagte der 69-jährige Leonidas Medina, der in einem Krankenhaus von Comayagua seinen umgekommenen Sohn beweinte. "Sie wären nicht gestorben, wenn nur die Türen geöffnet worden wären." Die meisten Todesfälle waren nach Auskunft des Leiters des Justizvollzugs, Danilo Orellana, auf Ersticken zurückzuführen. In der ersten Aufregung glaubte ein Teil der Wachen offenbar zunächst an eine Gefangenenmeuterei.
Beim Sturm der Angehörigen auf das Gefängnis gab es Zusammenstöße mit der Polizei, einige Menschen warfen Steine auf die Beamten. Obwohl die Sicherheitskräfte Schüsse in die Luft abgaben, stürmten etwa 300 Männer, Frauen und Kinder die Haftanstalt. Sie warfen den Gefängnisbehörden Missmanagement vor und beklagten, dass die Feuerwehr viel zu spät eingegriffen habe.
Die Gouverneurin der Provinz Comayagua und frühere Sozialarbeiterin in dem Gefängnis, Paola Castro, sagte, kurz nach Ausbruch des Brandes habe ihr ein Gefangener telefonisch berichtet, ein anderer Häftling habe gesagt "Ich werde einen Brand legen, und wir werden alle sterben".
Bestürzung in Deutschland
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) erklärte, er habe "mit großer Bestürzung" von der Brandkatastrophe erfahren. "Unser tief empfundenes Mitgefühl gilt den Angehörigen und Freunden der Opfer", fügte Westerwelle hinzu. Die Ursache des "furchtbaren Unglücks" müsse "schnell und lückenlos aufgeklärt werden".
Das Gefängnis in der 58.000-Einwohner-Stadt Comayagua liegt 90 Kilometer nördlich der Hauptstadt Tegucigalpa und etwa fünf Kilometer von der US-Luftwaffenbasis Palmerola entfernt. afp/dpa
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