Dauerstress macht Kopfschmerzen
Der Präsident der Migräne-Gesellschaft erklärt das Volksleiden – und gibt Tipps für Betroffene.
Kopfschmerzen gehören zu den am weitesten verbreiteten Krankheiten. Beim Deutschen Schmerzkongress in Hamburg beraten ab morgen Experten aus der ganzen Bundesrepublik darüber, wie Patienten und Ärzte mit dem Volksleiden am Besten umgehen können. Der Präsident der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft, Prof. Dr. med. Andreas Straube vom Klinikum Großhadern in München, verrät im Gespräch mit unserer Zeitung schon vor Kongressbeginn die wichtigsten Tipps und Tricks.
Eine neue Forsa-Umfrage hat ergeben, dass jeder zweite Kopfschmerz-Geplagte sein Leid auf Stress zurückführt. Kann das sein?
Straube : Es gibt Untersuchungen, in denen geprüft wurde, ob akuter Stress tatsächlich Kopfschmerzen auslöst. Das hat sich aber nur bei etwa einem Drittel der Untersuchten bewahrheitet. Man kann nicht einfach sagen: Heute habe ich eine Stressbelastung, deshalb habe ich morgen Kopfschmerzen. Aber, ja, es stimmt: Stress kann bei Menschen, die eine gewisse Empfindlichkeit haben, ein Auslöser für Kopfschmerzen sein. Es geht aber eher um den Dauerstress. Wenn jemand ständig gestresst ist, leidet der ganze Körper – und das Risiko steigt, dass er darauf irgendwann mit Kopfschmerzen reagiert.
Was passiert denn im Körper, wenn man unter Kopfschmerzen leidet?
Straube: Am besten wissen wir das bisher bei Migräne. Da kommt es zu einer plötzlichen Übererregbarkeit des Gehirns. Dadurch werden Schmerzfasern in der Hirnhaut aktiviert – und man empfindet Schmerz.
Wie kann man das verhindern?
Straube: Wir wissen, dass Verfahren, die Stress abbauen und so die damit einhergehende Aktivierung des sogenannten sympathischen Nervensystems verringern, auch in der Lage sind, längerfristig die Kopfschmerzhäufigkeit zu reduzieren. Regelmäßiger Sport, zum Beispiel, kann Kopfschmerzen reduzieren.
Im Alltag hört man oft auch Tipps wie: „Trink genug, dann bekommst Du keine Kopfschmerzen.“ Stimmt das?
Straube: Ja und nein. Kopfschmerzen werden durch einen unregelmäßigen Lebenslauf verursacht, also eben auch, wenn man regelmäßige Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme auslässt, weil man eben Stress hat. Dann führt dieses Unregelmäßige dazu, dass man Kopfschmerzen bekommt.
Haben Sie Tipps, wie man Kopfschmerzen vermeiden kann?
Straube: Wenn man öfter unter Kopfschmerzen leidet, sollte man sich bemühen, seinen Lebensablauf regelmäßig zu gestalten. Man sollte in seinen Alltag ritualisiert kleine Pausen einbauen, in denen man sich zurückzieht. Außerdem sollte man sich Zeit für Sport einräumen. Einerseits, weil der Sport selbst Stress abbaut, andererseits, weil man dann Termine für sich selber macht. Und das verbessert die Lebensqualität ungemein. Dazu kommt, wie gesagt, regelmäßige Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme und regelmäßiger Schlaf. Das sind so die wichtigsten Sachen. Ach ja, und was auch noch wichtig ist: Bewusst auch mal „nein“ sagen, gerade, wenn von vielen Seiten wechselnde Ansprüche an einen gestellt werden.
Und was macht man, wenn all das nichts geholfen hat und man dann doch unter akuten Kopfschmerzen leidet?
Straube: Zunächst einmal sollte man sich dann, wenn man die Möglichkeit hat, zurückziehen und sich hinlegen. Wenn man Schmerzmittel nimmt, sollte man das frühzeitig tun. Was nichts bringt, ist, zu warten, bis der Kopfschmerz sein Maximum erreicht hat, und erst dann Tabletten zu nehmen. Diese wirken dann vergleichsweise schlechter.
Wie viele Schmerztabletten würden Sie denn empfehlen?
Straube: Wenn man wirklich Kopfschmerzen hat, sollte man eine oder zwei Tabletten der gängigen Schmerzmittel nehmen. Das sollte aber auf keinen Fall regelmäßig, also an mehr als zehn Tagen im Monat, nötig sein.
Und wann sollte man wegen Kopfschmerzen zum Arzt gehen?
Straube: Wenn die Schmerzen anfangen, die Lebensqualität zu beeinträchtigen – das heißt also, wenn sie mit hoher Regelmäßigkeit auftreten. Wenn der Kopfschmerz unbekannt ist, sich in seinem Charakter plötzlich ändert und dazu andere, ungewohnte Symptome kommen wie zum Beispiel Lähmungen oder Bewusstlosigkeit oder Fieber – dann sollte man unbedingt einen Arzt aufsuchen.
Beim Deutschen Schmerzkongress wird es ab Mittwoch natürlich auch um den neusten Stand der Wissenschaft gehen. Können Sie schon eine kleine Vorschau geben – was sind die neusten Erkenntnisse in der Schmerzforschung?
Straube: Ein großes Schlagwort ist zum Beispiel die sogenannte Neuromodulation. Dabei wird versucht, durch Nervenstimulation Schmerzerkrankungen zu behandeln. Über Elektroden am Kiefer oder am Hinterkopf werden für kurze Zeit oder aber auch dauernd Nerven stimuliert, um die Verarbeitung des Schmerzimpulses im Gehirn zu beeinflussen. Diese Elektroden kann man implantieren oder auch auf die Haut oberflächlich auflegen. Außerdem wird es um chronische Kopfschmerzen gehen. Da sind die Fragen, warum kommt es bei manchen Menschen zu einer Chronifizierung, welche Rolle spielt da der Schmerzmittelübergebrauch – und was kann man dagegen unternehmen.
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