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  3. Kuhglocken-Streit: Die Kuhglocken-Aktivistin darf keine Schweizerin werden

Kuhglocken-Streit
28.12.2015

Die Kuhglocken-Aktivistin darf keine Schweizerin werden

Nancy Holten bleibt dabei: Für Kühe ist der Lärm an ihrem Hals unzumutbar. Die Holländerin hat für diese klare Meinungsäußerung die Quittung ihrer Schweizer Mitbürger erhalten.
Foto: Erich Nyffenegger

Seit über 30 Jahren lebt die Holländerin Nancy Holten in der Schweiz. Dann beginnt sie ihren Kampf gegen Kuhglocken - der ihr beim Einbürgerungsgesuch zum Verhängnis wird.

2015 wird Nancy Holten als das Jahr in Erinnerung bleiben, in dem sie drei Viertel ihrer Schweizer Mitbürger schallend geohrfeigt haben. Knapp vier Wochen liegt die Abstimmung über ihre Einbürgerung zurück. Die 41-Jährige erinnert sich an jedes Detail. „Warum wollen Sie geheim darüber abstimmen? Sagen Sie’s mir doch ins Gesicht! Angsthase!“, herrscht sie an jenem 27. November ihren Sitznachbarn an. Für einen Augenblick verliert die Holländerin die Beherrschung. Seit über 30 Jahren lebt sie in der Schweiz. Jetzt stellt sie sich der Debatte um ihre Person, 60 Minuten lang. „Diese Frau respektiert unsere Traditionen nicht, warum will sie dann Schweizerin werden?“, argumentiert jemand. Ein Verteidiger der Aktivistin sagt: „Frau Holten verkörpert mehr Schweizer Ideale als die meisten Menschen mit einem Schweizer Pass.“

Die Versammlung ist für eidgenössische Verhältnisse ungewöhnlich hitzig. Es gibt Buhrufe für jeden, der für Nancy Holten Partei ergreift. In der Mehrzweckhalle von Gipf-Oberfrick (Kanton Aargau) brennt die Luft. Normalerweise zieht eine derartige Gemeindeversammlung nicht einmal halb so viele Bürger an. Eine Abstimmung über ein Einbürgerungsgesuch ist eigentlich Routine. Eigentlich. Doch Nancy Holten hat es gewagt, an den Grundfesten schweizerischer Identität zu rühren.

Nancy Holten wird nicht eingebürgert, haben ihre Mitbürger entschieden

Über die Schweiz hinaus ist sie zum Gesicht für den Protest gegen das Geläut von Kirchen- und Kuhglocken geworden. Und damit für viele zum Feindbild – nicht nur für eine Mehrheit der 3200 Bürger von Gipf-Oberfrick: Auch überall dort, wo Diskussionen laut werden, ob es noch zeitgemäß ist, vom katholischen Glockengeläut um 6 Uhr zum Morgengebet geweckt zu werden. Oder ob es Kühen Spaß macht, ununterbrochen eine lärmende Schelle um den Hals zu tragen. Nancy Holten hat eine Meinung. Und an diesem Abend bezahlt sie einen sehr hohen Preis dafür: Die Bürger votieren mit überwältigender Mehrheit gegen die Holländerin. 144 zu 48 Stimmen.

Nancy Holten nimmt ihre beiden elfjährigen Zwillings-Töchter an den Händen und verlässt den Saal. „Und zwar erhobenen Hauptes.“ So jedenfalls schildert sie die hitzigen Ereignisse in der Rückschau.

Ihre Wohnung ist hell. An den Wänden hängen Bilder von Engeln und Katzen. Die Zwillinge hüpfen zwischen den Möbeln umher. Einrichtung und Ausstattung der Wohnung in diesem Mehrfamilienhaus zeigen, dass hier keine reichen, aber ordentliche Menschen leben. Auf dem Fensterbrett steht eine Klangschale.

Nancy Holten wühlt in den Akten, die sich angesammelt haben. Ihr Optimismus – trotz des herben Rückschlags in der Gemeindeversammlung – scheint ungebrochen. Als die Sonne es endlich durch den Nebelschleier vor dem Fenster schafft, leuchten ihre wasserblauen Augen auf. „Angefangen hat es vor etwa einem Jahr“, erinnert sie sich. Sie habe sich gefragt, warum sehr früh morgens täglich die Kirchenglocken läuten: „Das ist ein Gebetsaufruf.“ Gegen das Beten habe sie nichts, sie selbst sei gläubig. Doch wundere sie sich, dass es dafür eine akustische Aufforderung brauche.

Und weil Nancy Holten ein pragmatisch veranlagter Mensch ist, kommt sie auf die Idee mit den Listen. „Ich wollte sie in den Geschäften des Ortes auslegen, damit jeder unterschreiben kann, der das Läuten am Morgen auch nicht braucht.“

Von der Heftigkeit der Reaktionen ist die Holländerin überrascht, sie stößt auf Ablehnung und Anfeindungen. „Nur ein einziges Geschäft war letztendlich bereit, die Listen auszulegen.“ Und der Inhaber habe sich dafür ständig rechtfertigen müssen.

Holten hält auch das Glockengeläut um 6 Uhr morgens für nicht mehr zeitgemäß

Dann kommt die Sache mit den Kuhglocken: „Mein Initial war ein Bericht über den Almabtrieb.“ Riesige Glocken hängen den Kühen da um den Hals. Nancy Holten glaubt, dass es sich für die Tiere wie ein Presslufthammer, unmittelbar ans Ohr gehalten, anhört. „Denn Kühe haben das feinere Gehör als wir Menschen.“ Es sei einfach unnötig, die Tiere so zu quälen: „Die meisten Kühe grasen auf eingezäunten Weiden.“ Und wenn es wirklich darum gehe, ausgebüxte Rinder wiederzufinden, dann gebe es heute, im Zeitalter von Digitalisierung und GPS-Sendern, andere Möglichkeiten.

Dass viele ihrer Mitbürger mit dieser Argumentation nichts anfangen können, hat Nancy Holten schnell zu spüren bekommen. „Ich erinnere mich an einen Restaurantbesuch. Da hat mir ein Herr Vorwürfe gemacht. Als ich mit ihm diskutieren wollte, hat er mich weggestoßen.“ Im Ort und in der Nachbarschaft habe ihr indes nie jemand konkret ins Gesicht gesagt, was man von ihr halte. „Nur die Blicke, die waren manchmal komisch.“

Als die Medien über ihr Engagement für den Tierschutz berichten, erhält Nancy Holten Briefe aus der ganzen Schweiz und anonyme Anrufe. Viele davon sind voller Kritik und Häme, manche beleidigend. Andere dokumentieren Zuspruch für ihre Haltung. „Ich bin ein optimistischer Mensch. Und ich glaube an die Liebe. Und darum rufe ich mir nur die positiven Zuschriften und Kommentare in Erinnerung.“

Das, was Nancy Holten lieber ausblendet, klingt dann so: „Wär derart Müe het, sech z’integriere und aues Schwizer wärt und Kultur z’schläch z’ mache, het bim beste Wiue ke Schwizer Pass verdient!“ Übersetzung: „Wem es so schwerfällt, sich zu integrieren, und unsere Schweizer Werte und die Kultur schlechtmacht, hat beim besten Willen keinen Schweizer Pass verdient“, schreibt ein Kritiker. Die internationale Tierrechte-Organisation Peta sieht das naturgemäß vollkommen anders und hat Nancy Holten gerade erst als „Heldin für Tiere“ ausgezeichnet.

Wie in unserem digitalen Zeitalter üblich, spielt sich die Diskussion um Nancy Holten, die freiberuflich als Journalistin arbeitet, vorwiegend im Internet ab. Als die Holländerin im sozialen Netzwerk Facebook die Seite „Kuhglocken Out“ gründet und auf Anhieb fast 5000 Unterstützer findet, bringen ihre Gegner die Seiten „Pro Kuhglocken“ und „Kuhglocken unsere Tradition“ auf den Weg. Deren Mitgliederzahl zeigt sehr deutlich, dass Nancy Holten mit ihren Forderungen auf verlorenem Posten kämpft: Rund 37 000 Nutzer verteidigen die Kuhglocken zum Teil mit höchster Leidenschaft und fordern, Nancy Holten nicht nur nicht einzubürgern, sondern gleich ganz aus der Schweiz zu werfen.

Zu einem Gespräch für diese Zeitung unter realem Namen war keiner der um eine Stellungnahme gebetenen Kuhglockenfreunde bereit. Am Telefon sagt ein Herr Ende 60: „Wir sind mit dem Klang der Glocken groß geworden. Und ich habe noch keine Kuh gesehen, die wegen des Klingelns verrückt geworden wäre. Unsere Milch und der Käse, der aus ihr gewonnen wird, sind weltberühmt. Das geht nur mit Kühen, die sich wohlfühlen.“

Und was sagt die Wissenschaft über das Tierwohl unter der Dauerbeschallung? Tatsächlich existiert eine Studie im Rahmen einer Doktorarbeit der renommierten Eidgenössischen Hochschule für Technik in Zürich (ETH). Dort hat Julia Johns das Verhalten von mehr als 100 Kühen untersucht, die eine fünf Kilo schwere Glocke um den Hals trugen. Dabei hat sie Schallpegel mit Spitzenwerten bis zu 120 Dezibel gemessen – was tatsächlich dem Radau entspricht, den ein Presslufthammer verursacht. Für die Forscher ist klar, dass die Glocken das Tierwohl negativ beeinflussten. Dafür spricht auch, dass die Kühe unter Beschallung weniger Appetit haben und ihre Kau-Frequenz nachlässt – wie die Studie gezeigt hat.

Forscher vermuten, dass die Glocken und Schellen die Tiere stressen

Doch die Anhänger der Glocken erkennen die Studie nicht an oder gewichten die lange Tradition der Kuhglocken in der Schweiz einfach höher. Nancy Holten kann das nicht verstehen, und sie will es auch nicht akzeptieren: „Ich habe immer geglaubt, die Schweiz ist ein Hort von Demokratie und Meinungsfreiheit.“ Und wie hätte sie sich im Lichte der Ablehnung ihrer Einbürgerung verhalten, wenn sie all das vorher gewusst hätte? „Es gab eine Zeit, da hat mich meine große Tochter gebeten, mein Engagement gegen die Glocken aufzugeben. Und wenn ich gewusst hätte, was auf mich zukommt, dann hätte ich das auch getan – aber nur in Bezug auf das Kirchenläuten am Morgen.“ Denn das beträfe die Menschen. Die Kühe aber könnten sich ja nicht wehren.

Noch etwas fällt ihr ein: Die Schwanzprämie für getötete Mäuse. Die Gemeinde Gipf-Oberfrick zahlt noch immer diese Prämie von umgerechnet rund einem Euro pro Schwanz – eine Tradition, die noch aus Zeiten großer Mäuseplagen herrührt. Nancy Holten findet, dass sie nicht mehr zeitgemäß ist.

Und was wird jetzt aus ihrem Wunsch, Schweizerin zu werden? „Vom Gefühl her, bin ich ja schon lange Schweizerin. Ich lebe seit mehr als 30 Jahren in der Schweiz, meine Töchter sind Schweizer.“ Den Schweizer Pass möchte sie daher noch immer haben. Und warum erst jetzt? Früher sei ihr das nicht so wichtig gewesen. Heute aber spüre sie, dass es sich richtig anfühle. „Allerdings stelle ich mich nicht mehr so einer Gemeindeversammlung.“

Sie hat jetzt die Möglichkeit, beim Aargauer Regierungsrat Beschwerde gegen die Entscheidung der Gemeindeversammlung einzulegen. Bleibt die erfolglos, kann sie vor dem Verwaltungsgericht klagen. Hilft auch das nicht weiter, muss sie erneut bei ihren Mitbürgern dafür werben, eine von ihnen werden zu können.

Inhaltlich werde sie jedenfalls ihre Meinung auch in Zukunft vertreten. Das Ende ihres Engagements für Tiere als Preis für die Einbürgerung – das komme für sie nicht infrage. „Aber vielleicht sollte ich meine Positionen weniger hart verteidigen. Vielleicht etwas friedlicher.“ Ob diese selbstkritische Haltung die Mehrheitsverhältnisse in der Gemeinde verändern könnte?

Im Augenblick eher nicht: Ein älteres Ehepaar – gerade mit Hund unterwegs in der Wintersonne von Gipf-Oberfrick – sagt, ohne den eigenen Namen nennen zu wollen: „Da kann sie noch 100 Mal abstimmen lassen. Die Leute wissen doch, was sie von ihnen hält. Die Leute sind doch nicht blöd!“

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Die Diskussion ist geschlossen.

29.12.2015

Wenn Kühe keinen Krach vertragen, warum muhen sie dann so laut und nicht leise?