Ein Jahr Shopping-Verbot: "Am meisten habe ich neue Schuhe vermisst"
Auf ihrem Blog „Ich kauf nix“ hat Nunu Kaller festgehalten, wie es sich anfühlt, ein Jahr lang auf Shopping zu verzichten. Die 32-Jährige hat nicht nur jede Menge Geld gespart.
Die Herbst- und Wintermode hängt längst in den Geschäften. Wollweiß, Rosa und Grau sind die Trendfarben. Dass das Frühjahr gelb wird, steht ebenfalls bereits fest. Das Modekarussell dreht sich unaufhörlich. Die 32-jährige Nunu Kaller hat vor einem Jahr beschlossen anzuhalten und auszusteigen. Auf ihrem Blog „Ich kauf nix“ hat die Wienerin festgehalten, wie es sich anfühlt, ein Jahr lang auf Shopping zu verzichten. Am meisten hat sie darunter gelitten, sich keine neuen Schuhe kaufen zu können, sagt sie. Und dass sich ihr Einkaufsverhalten grundlegend verändert hat.
Gab es einen Auslöser, dass Sie gesagt haben: "Jetzt gehe ich ein Jahr lang nicht shoppen"?
Es hat sich schon etwas länger angebahnt: Ich hatte 2011 viele Schicksalsschläge zu verarbeiten und habe nach und nach gemerkt, dass ich meine Trauer mit Shopping kompensiere, anstatt zu verarbeiten. Eine Diskussion mit meinem Freund, der mir immer wieder mal fehlende Konsequenz vorgeworfen hat, hat mich dann darauf gebracht.
Warum gerade der Verzicht auf Kleidung?
Weil das meine persönliche Schwachstelle war. Ich arbeite bei einer NGO, achte auf meinen Lebensmittelkonsum, mag diesen Konsumwahnsinn in vielen Bereichen einfach überhaupt nicht - der ganze Markenwahnsinn bei Elektronika geht mir extrem auf die Nerven, mein Handy muss einfach möglichst lange halten, das ist das Wichtigste. Meine Wohnung ist zu einem guten Teil aus Flohmarktmöbeln eingerichtet. Ich fahre in der Stadt zu 90 Prozent mit dem Fahrrad.
Vieles davon hat bei mir nicht einmal primär ökologische, sondern eher praktische Gründe: Die alten Möbel halten einfach besser als der Möbel-Schweden-Mist, mit dem Rad habe ich wenigstens vor Bürobeginn etwas Bewegung, und und und. Aber beim Kleidershopping, da hat mein Verstand regelmäßig ausgesetzt. Mode ist für mich eine wichtige Ausdrucksform.
Früher war Einkaufen für die 31-Jährige Befriedigung
Was bedeutet für Sie Einkaufen? Was hat es Ihnen früher bedeutet? Was bedeutet es Ihnen jetzt?
Ich bin viel stärker zurückgekehrt zu einem "Brauch ich das wirklich?"-Einkaufsverhalten. Früher war Shopping - und damit meine ich Kleidung, Schuhe, Accessoires, aber auch Luxus- und Freizeitprodukte wie Bücher oder Parfums - für mich Belohnung, Ablenkung, Trost. Der Einkaufsakt selbst hat befriedigt. Das Produkt, seine Herkunft und seine Sinnhaftigkeit für mich persönlich sind jetzt wichtiger. Was aber nicht heißt, dass ich mir nicht hin und wieder etwas "gönne" und das nicht extrem genieße - sogar mehr als früher, einfach, weil es seltener und ausgewählter stattfindet.
Sind Sie in Ihrer abstinenten Zeit besonders kreativ geworden, was Ihren Kleidungsstil betrifft?
Kann man so sagen! Es hat zwar nicht bei null angefangen, ein gewisser Drang in Richtung kreative Hobbies war vorher schon da, aber seit meiner Shoppingdiät stricke ich leidenschaftlich Pullover ohne Anleitung, sondern einfach so, wie ich sie mir vorstelle, und nähe auch genau so Röcke und Oberteile für mich. Besonders das Stricken ist in dem Jahr zu einem riesigen Hobby geworden.
Wissen Sie, wie viel Geld sie dank der Shoppingdiät gespart haben?
Das kann ich leider nicht feststellen. Einerseits, weil ich vorher nie Buch geführt habe. Andererseits, weil ich in dem Jahr beschlossen habe, eine Post-Graduate-Ausbildung anzufangen, die sehr teuer ist. Schätzen würde ich aber 80 bis 200 Euro pro Monat, je nachdem, ob ich mir Schuhe gekauft habe oder nicht.
Von dem großen Schlussverkauf wollte sie plötzlich nichts mehr wissen
Im Moment locken wieder viele Geschäfte mit Sonderangeboten. Wie schlimm waren die Zeiten des Schlussverkaufs für Sie?
In den ersten Wochen war es schwierig, danach war es sogar entspannend, dass ich bei diesem Gerenne um die besten Schnäppchen nicht mitmachen musste. Unmittelbar nach Ablauf des Jahres war wieder große Ausverkaufszeit - und mir hat es sogar gegraust. Ich hatte mich in der Zeit so intensiv über die Herkunft konventioneller Kleidung informiert - Stichwort Pestizid- und Chemieeinsatz oder Kinderarbeit - dass es mir einfach nicht mehr möglich war, einen Ausverkauf mit seinen "Schnäppchen" zu genießen.
Gab es etwas, das Sie besonders vermisst haben?
Da bin ich typisch Frau: neue Schuhe. Und vor allem: neue Stiefel.
Wie ging Ihr Umfeld mit dem Projekt um?
Es waren wirklich alle sehr positiv eingestellt, viele Frauen bewunderten mich und meinten: "Das würd ich nie schaffen". Viele Männer nahmen es nicht allzu ernst, aber Unterstützung kam von allen. Lediglich mein Teamleiter im Büro traute es mir nicht zu und wettete mit mir um 50 Euro - und löste seine Wettschulden sogar brav am ersten Tag nach Ende meines Auszeit-Jahres ein.
Das Jahr ohne Shopping haben Sie überstanden. Planen Sie denn weitere Entsagungs-Projekte?
Derzeit nicht. Der Selbstversuch für mich war sehr erfolgreich, mein Einkaufsverhalten hat sich nachhaltig verändert , ich bin zur kritischen Einkäuferin geworden und nutze Kleiderkauf nicht mehr als Ersatzhandlung. Darauf bin ich schon ziemlich stolz, da braucht es momentan keine neue Herausforderung. Aber sag niemals nie!
Nunu Kallers Selbstherausforderung erscheint ab Dezember auch als Buch mit dem Titel „Ich kauf nix“.
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