Ende des Mager-Wahns? Neues Gesetz gegen dürre Models
Das französische Parlament geht mit einem neuen Gesetz gegen gefährliches Untergewicht in der Modebranche vor. Zu dünne Models sollen nicht mehr auf den Laufsteg dürfen.
Ist die Zeit der Mager-Models, die auf französischen Laufstegen die Kreationen der Designer präsentieren, vorbei? Endet die Zeit der Magerkeit, der hervorstechenden Knochen und sich abzeichnenden Rippen? Mithilfe eines neuen Gesetzes, das die französische Nationalversammlung im Rahmen einer Gesundheitsreform nun verabschiedete, will die Regierung jedenfalls gegen gefährliches Untergewicht in der Modebranche vorgehen.
Künftig müssen Mannequins bei jedem Engagement durch eine Modelagentur ein medizinisches Zeugnis vorweisen, das bescheinigt, dass „ihr Gesundheitszustand kompatibel mit der Ausübung ihres Berufes“ ist. Bemessen wird das nicht allein am Gewicht, sondern am gesamten Gesundheitszustand, vor allem am Body-Mass-Index. Ein erster Gesetzesentwurf, der einen Mindestwert vorsah, wurde nochmals angepasst: In der jetzigen Version werden weitere Merkmale wie Geschlecht, Alter, Ernährungsgewohnheiten oder das Ausbleiben der Menstruation mit einbezogen. Wer gegen das neue Gesetz verstößt und Models ohne Gesundheitszeugnis beschäftigt, kann mit einer Geldbuße von bis zu 75.000 Euro und einer Gefängnisstrafe von bis zu sechs Monaten bestraft werden.
Bearbeitete Bilder müssen als retuschiert gekennzeichnet sein
„Machen wir mit der Idee Schluss, dass man quasi verschwinden muss, um eine schöne Frau zu sein“, erklärte der für das Gesetzesprojekt verantwortliche sozialistische Abgeordnete Olivier Véran während der Debatten. Als Vorbilder dienten Länder wie Spanien, Israel und Italien, die wie Frankreich eine wichtige Rolle in der Mode spielten und längst ähnliche Bestimmungen verabschiedet hätten, sagte er. „Wie jedes Gesetz kann auch dieses umgangen werden“, räumte er allerdings gegenüber Kritikern ein. „Aber das sollte uns nicht davon abhalten, eines zu erlassen.“
Auch müssen Magazine Bilder von Models, deren Silhouette per Fotomontage verschmälert oder verbreitert wurde, künftig mit der Angabe „retuschiertes Foto“ versehen, um kein unrealistisches Bild vom Körper einer Frau – denn meistens handelt es sich um Frauen – zu vermitteln. „Zu viele junge Mädchen hungern sich aus, um Vorbildern zu ähneln, die nur Bilder sind, aber keine echten Frauen“, sagte die Abgeordnete Maud Olivier. Der Tod des magersüchtigen Models Isabelle Caro vor fünf Jahren hatte die Politik schockiert.
Modelagenturen kritisieren Gesetz
Ein weiterer Gesetzesentwurf, der das Delikt der „Anstiftung zu exzessiver Magerkeit“ vorsah, wurde hingegen verworfen. Er zielte vor allem auf „pro-ana“ („pro-Anorexie“)-Internet-Seiten und sah Geldbußen von bis zu 10000 Euro und eine einjährige Gefängnisstrafe vor. Zu massiv war der Widerstand von Vereinigungen, die sich gegen Ernährungsstörungen engagieren. Einer Studie zufolge, die Catherine Lemorton, sozialistische Vorsitzende der Kommission für soziale Angelegenheiten, zitierte, „leiden die Urheber dieser Seiten selbst an Störungen des Ernährungsverhaltens“ und würden durch Strafandrohung nur noch mehr geschwächt.
Frankreichs Gewerkschaft der Modelagenturen, Synam, kritisierte das Magermodel-Verbot als „Vermengung von Anorexie und Schlankheit“. „Es ist etwas vereinfachend zu glauben, dass es keine Anorexie-Kranken mehr geben würde, sobald man sehr schlanke Models von den Laufstegen verbannt“, sagte Synam-Generalsekretärin Isabelle Saint-Felix. Die neue Bestimmung benachteilige französische Agenturen gegenüber ihren internationalen Konkurrenten.
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