Erotik-Unternehmerin: Vor zehn Jahren starb Beate Uhse
Vor zehn Jahren starb die legendäre Erotik-Unternehmerin Beate Uhse. Das Unternehmen hat seinen Schwerpunkt verlagert. Der Mythos aber ist geblieben.
Vor zehn Jahren starb die legendäre Erotik-Unternehmerin Beate Uhse. Die Flensburgerin gründete 1951 mit einem Kondom-Handel den späteren Erotik-Marktführer. Heute verlagert sich das hartumkämpfte Geschäft zunehmend ins Internet. Der Mythos Beate Uhse bleibt.
Die "Lümmeltüten" gehören nur noch zum Randgeschäft des Uhse-Konzerns. In der Nachkriegszeit begründeten Kondome, die es auch heute in diversen Varianten ("Lustpunkte", "Lovemachine", "Herzrasen") gibt, den Erfolg Beate Uhses, am 16. Juli 2001, im Alter von 81 Jahren starb. Seit es Kondome in jedem herkömmlichen Supermarkt gibt, ist mit Präservativen nicht mehr viel Geld zu machen. Andere Sexartikel stehen im Fokus der Kundschaft. Der Markt wird immer härter, Konsumenten werden von allen Seiten umworben, vor allem im Internet.
Vom Kinderspielzeug zum Erwachsenenspielzeug
Ihre Karriere begann Uhse mit einem Wandergewerbeschein. Nach dem Krieg, 1947, tingelte Beate Uhse mit ihrem Fahrrad durch den Norden Schleswig-Holsteins, um Spielzeug und Einkaufstaschen zu verkaufen. Dabei wurde sie häufig mit dem Problem ungewollter Schwangerschaften konfrontiert. Kondome waren rar, die Pille noch nicht erfunden. Beate Uhse, selbst alleinerziehende Mutter, klärte die Landfrauen über natürliche Verhütung auf und verfasste außerdem eine Schrift über die "Knaus-Ogino"-Methode der fruchtbaren und unfruchtbaren Tage der Frau. Das Heftchen fand reißenden Absatz. Schon bevor Uhse 1951 ihr "Versandhaus für Ehehygiene" in Flensburg gründete, bot sie Kondome an.
"In diesem Sommer sind Vibratoren, die man mit Wasser füllen und kühlen kann wie Ice Cubes, "in"", berichtet Assia Tschernookoff, Sprecherin des Uhse-Konzerns. Das sei "ein schönes prickelndes Gefühl an heißen Tagen", die Vibratoren könne man aber auch im Winter nutzen mit warmem Wasser ("das ist dann schön kuschelig"). Das Unternehmen schickte ein entsprechendes Sex-Paket an die deutsche Fußball-Nationalmannschaft der Frauen zur WM - allerdings ohne eine Antwort zu erhalten. Sehr gut gehen der Unternehmenssprecherin zufolge auch Dessous. Bademoden, sogar Jeans und Party-Kleider gehören inzwischen zum Angebot - "alles natürlich ein bisschen sexy".
Der Erotik-Markt ändert sich schnell, das zeigt die Ausweitung im Sortiment. 2010 machte die Beate Uhse AG im operativen Geschäft (ohne Sondereffekte) 19,5 Millionen Euro Verlust, im laufenden Jahr soll er auf 6 bis 4 Millionen abgebaut werden. Erwartet wird ein Jahresumsatz zwischen 140 und 144 Millionen. Der Grund: Aggressiver Preiskampf. Außerdem hat das Unternehmen in den vergangenen drei Jahren sein Filialnetz um 35 Läden auf insgesamt 244 Shops in elf Ländern verkleinert.
In der Sprache der deutschen Wirtschaft heißt das "Umstrukturierung". Konkret bedeutet dies, dass alte Läden in schmuddeligen Bahnhofsvierteln oder Rotlichtmilieus sukzessive schließen und in zentrale Geschäftsgegenden umziehen sollen. "Das kostet viel Geld", sagt Tschernookoff. Moderne Shops - ohne den früher üblichen Vorhang vor der Tür - sind zum Beispiel auf der Zeil in Frankfurt, in der Sendlinger Straße in München oder am Bahnhof Zoo in Berlin zu finden.
"Ladies-Night-Parties" als neuer Geschäftszweig
Das Internet gilt trotz der harten Konkurrenz anderer Sexartikel-Anbieter als Hoffnungsträger. Inzwischen macht Beate Uhses Imperium damit 52 Prozent seines Umsatzes. Und auch die Kundschaft hat sich gewandelt. Kauften früher vor allem Männer, so ist inzwischen fast jeder zweite Kunde eine Frau. Seit drei Jahren läuft noch ein anderer, "altmodischer" Vertriebsweg. Nach dem Vorbild von Tupper-Partys laden Frauen zu "Ladies-Night-Partys" und bieten Sexartikel im privaten Freundinnenkreis an.
Konzernsprecherin Assia Tschernookoff hat Beate Uhse noch persönlich gekannt. "Der Mythos um ihre Person wird vielleicht im Laufe der Jahren verblassen, aber nicht der Mythos der Marke", sagt sie. "Beate wollte, dass die Menschen ihre Sexualität frei leben können und sich nicht dafür schämen müssen." Neben Oswald Kolle habe Beate Uhse in einer spießigen Nachkriegsgesellschaft viel zur sexuellen Befreiung beigetragen.
Das Geschäft mit der Lust, das Beate Uhse in den ersten Jahren wegen "Vorschub zur Unzucht" unzählige Anzeigen, aber nie Verurteilungen eintrug, wuchs rasch zu einem millionenschweren Business. Die Power-Frau, Tochter einer Landärztin und eines ostpreußischen Gutsbesitzers, war im Zweiten Weltkrieg Testpilotin gewesen. Noch im hohen Alter flog sie selbst, machte einen Tauchschein, spielte Golf oder belegte einen Selbstverteidigungskurs für Frauen. Schicksalsschläge begleiteten ihr Leben. Ihr erster Mann, Hans-Jürgen Uhse, starb im Krieg, ihren zweiten, Ernst-Walter Rotermund, verlor sie 1972. Ein eigenes Krebsleiden Anfang der 80er überstand Uhse, nicht so ihr Sohn Klaus, der 1984 starb.
Im Herbst will das ZDF mit einem Spielfilm und einer Dokumentation an das bewegte Leben der anfangs angefeindeten und später hoch anerkannten Unternehmerin zeigen. dpa, AZ
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