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  3. Norwegen: Ferien im Sommercamp auf der Todesinsel Utøya

Norwegen
07.08.2015

Ferien im Sommercamp auf der Todesinsel Utøya

Mit den vielen jungen Leuten kehrt auch ein Stück Unbeschwertheit zurück nach Utøya.
Foto: Vidar Ruud

Wie fühlt es sich an, dort zu baden, wo die erschossenen Freunde lagen? Erstmals nach dem Massenmord beziehen Jugendliche wieder ihr Sommercamp auf Utøya.

Mit diesem Mann hat also alles angefangen. Dieser Mann, der sich jetzt eine Träne aus dem Augenwinkel wischt, war damals vor vier Jahren so etwas wie der personifizierte Trotz. Er war dem Attentäter an Bord des einzigen Bootes entkommen, das die winzige Insel mit dem Festland verbindet. Keine 24 Stunden später sprach Eskil Pedersen, zu jener Zeit 27 Jahre alt und Chef der Jugendorganisation der norwegischen Arbeiterpartei (AUF), die Worte: „Wir werden Utøya zurückerobern.“

Gestern früh meldet sein Nachfolger Mani Hussaini unter einem wolkenverhangenen Himmel Vollzug. Und Pedersen ist dabei. Die beiden Männer umarmen sich, es fließen Tränen, und mehr als 1000 Jugendliche jubeln ihnen zu. Vielleicht ist es genau dieser Moment, welcher der Welt signalisiert: Utøya ist zurückerobert.

Dass der Massenmörder Anders Behring Breivik am 22. Juli 2011 allein hier 69 Menschen kaltblütig erschoss, ist natürlich nicht vergessen. Aber die Erinnerung auf der idyllischen Insel im Tyrifjord ist in diesen Stunden weniger lebendig, als viele das vielleicht erwartet haben. Weil mancher Überlebende sie offenkundig zu verdrängen versucht, so gut es eben geht. Und weil mancher Neuankömmling demonstrativ einen neuen, in die Zukunft gerichteten Geist beschwört, der von diesem Treffen ausgehen soll.

Da ist Iris Sandholt aus Troms im Norden des Landes, 21 Jahre alt. Sie ist zum ersten Mal auf Utøya und sagt: „Ich bin hier, um ein tolles Sommerlager zu erleben und Spaß zu haben.“ Natürlich sei das alles etwas speziell, „aber wir sind ja inzwischen eine neue Generation von AUFlern“. August Hansen sieht das genauso: „Ich bin glücklich, hier zu sein. Das, was geschehen ist, ist natürlich schlimm, aber ich habe auch eine Distanz dazu.“

Man täte den beiden unrecht, würde man ihre Aussagen als ein Stück weit gefühllos werten. Vielmehr erinnern sie an den typisch norwegischen Weg, mit den Folgen des Attentats umzugehen: demonstrativ die Ruhe bewahren, die Offenheit des Landes betonen, bewusst ohne Schaum vor dem Mund.

Auf Utøya soll es um Werte gehen, die Norwegen auszeichnen

Erstmals seit dem Massenmord, dem Albtraum für das ganze Land, findet das dreitägige Sommerlager der jungen Sozialdemokraten wieder an diesem Ort statt. Sie wollen hier so wie früher über gute und schlechte Politik reden, schließlich sind im September Kommunalwahlen. Und natürlich soll es auch diesmal inmitten der bunten Zelte um die Werte gehen, die Norwegen auszeichnen. Werte, die Anders Behring Breivik so verachtete und mit seinen Anschlägen treffen wollte.

Breivik tötete an jenem Tag 2011 insgesamt 77 Menschen. Erst zündete er im etwa 40 Kilometer entfernten Oslo eine Autobombe. Acht Menschen starben dort. Die Explosion verwandelte Teile des Regierungsviertels in eine Trümmerlandschaft. Als sich die ganze Aufmerksamkeit auf Oslo richtete, begann er auf Utøya seinen Amoklauf. Die meisten Opfer waren Jugendliche zwischen 14 und 19 Jahren. Breivik schoss auch noch auf sie, als sie am Boden lagen oder durch das Wasser zu fliehen versuchten.

Selbst die, die das Massaker überlebt haben und bereit sind, mit Journalisten zu sprechen, geben sich Mühe, die Emotionen nicht hochkommen zu lassen. Ragnhild Kaski ist heute Generalsekretärin der Jugendorganisation. Sie sagt: „Natürlich steckt diese Insel voller Erinnerungen, guter wie schlechter. Was wir jetzt versuchen, ist, mehr gute Erinnerungen zu schaffen.“ Kaski war 21, als Breivik schwer bewaffnet auf die Insel kam. Mit anderen saß sie in der Cafeteria, als ihr Kamerad Håvard Vederhus durch die Tür stürmte und rief: „Draußen schießt jemand, wir müssen raus.“

Die Gruppe kletterte durchs Fenster. Ragnhild Kaski brach sich dabei den Knöchel. Sie konnte nicht mehr laufen, und Breivik war nicht mehr weit entfernt. Doch Håvard hob sie auf und trug sie ins Gebüsch. „Ich hatte Glück und bin an dem Tag am Leben geblieben“, sagt die 25-Jährige jetzt.

Håvard schaffte es nicht. Doch ein Grund, der Insel fernzubleiben, ist das für die junge Frau nicht. „Ich habe so unglaublich viele gute Erinnerungen von der Zeit vor 2011. Ich war hier jeden Sommer seit 2007, hier habe ich meine allerbesten Freunde gefunden“, erzählt sie mit einem seltsamen Strahlen im Gesicht. Erst auf hartnäckige Nachfragen räumt sie ein: „Natürlich habe ich hier auch das Allerschlimmste erlebt, was man erleben kann.“

Noch ein Beispiel: Emilie Bersaas, 23. Erst spricht sie mit blumigen Worten von der großen Chance, die dieses Treffen bietet. Aber als es um ihre eigene Geschichte geht, wird sie einsilbig: „Ich war damals auf dem Zeltplatz, als alles begann. Ich versteckte mich dann in der Schulstube, bis ich von der Polizei geholt wurde.“

So kurz ist ihre Geschichte heute. Dass sie sich unter einem Bett versteckte, dass sie wusste, dass Breivik vor dem Haus stand, dass sie ihren Kopf mit den Händen schützte, weil sie dachte: „Er kann mich so oft treffen, wie er will, aber nicht in den Kopf. Ich werde heute nicht sterben.“ All das hat sie einem Reporter kurz nach dem Anschlag erzählt. Heute schweigt sie dazu.

---Trennung _Wie sich die Insel verändert hat_ Trennung---

Utøya hat sich seit den Anschlägen verändert

Die Insel selbst hat sich seit den Anschlägen verändert. Mit Spenden und der Hilfe hunderter Freiwilliger gelang es, neue Gebäude zu bauen und die alten mit Respekt für die Opfer zu renovieren. Die Cafeteria, in der 13 junge Menschen starben, wurde nicht wie geplant abgerissen, sondern wird mitsamt den Einschusslöchern erhalten und in ein Gedenkzentrum eingebettet.

Trond Henry Blattmann hat sich in den vergangenen vier Jahren immer wieder den Tatort angesehen. Den Ort, an dem sein Sohn Torjus starb. Er war 17. Viel will der Vater über diese Besuche nicht erzählen. „Das belastet mich zu sehr.“ Unsere Zeitung erreicht ihn am Telefon, gut 300 Kilometer von Utøya entfernt in Kristiansand, zu dem Zeitpunkt, als auf der Insel gerade die Jugendlichen begrüßt werden.

Was geben ihm diese Reisen dorthin? Blattmann sagt: „Ich fahre dorthin, um an meinen Sohn zu denken – und an all die Menschen, die wie er dort ihr Leben verloren haben.“ Aber der Mann sagt auch: „Das ist nur ein Teil der Geschichte dieser Insel. Utøya ist auch ein Ort, an dem das Leben weitergeht.“ Dass die Arbeiterpartei nun wieder zum Sommercamp geladen hat, empfindet Blattmann deshalb als „perfekt“.

Tore Røyneland dagegen, der damals seine 18-jährige Tochter Synne verlor, hat Probleme, sich damit zu versöhnen, dass Utøya wieder als Sommerlager genutzt wird. „Utøya ist ein Tatort, an dem eine grausame und brutale Tat verübt wurde, und ich halte es für unpassend und unwürdig, hier ein Sommerlager mit Spiel und politischen Aktivitäten zu veranstalten.“ Er findet, die Partei missbrauche die Insel für ihre politischen Interessen.

Tatsächlich marschiert am Freitag gleich eine ganze Reihe prominenter Politiker auf. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg beispielsweise, der frühere Parteichef und zum Zeitpunkt des Massakers viel gelobter Ministerpräsident. Oder Vorgängerin Gro Harlem Brundtland, die an jenem Horrortag auf der Insel war und diese nur eine halbe Stunde vor Breiviks Ankunft verließ. Als sie gestern, auf einer Bühne stehend, von ihren Erlebnissen erzählt, ist sie kaum zu verstehen. Der Jubel vom benachbarten Fußballplatz übertönt ihre Rede, da nützt auch das Mikrofon nichts.

Aufenthalt auf Insel könne für die Opfer auch hilfreich sein

Und wie sehen deutsche Experten aus der Ferne dieses Sommercamp? Professor Wilfried Echterhoff ist Gründer des Instituts für Psychologische Unfallnachsorge in Köln. Er sagt unserer Zeitung: „Für Menschen, die während des Attentats auf der Insel waren, kann die Rückkehr zu diesem Ort psychisch wirklich kritisch sein. Die sollten das nicht ohne therapeutische Begleitung machen. Sonst kann dadurch eine Retraumatisierung erfolgen – dass man wieder in diese alten psychischen Zustände hineinfällt, die durch das Extrem-Erlebnis ausgelöst worden sind.“ Allerdings könne der Aufenthalt für die Opfer auch hilfreich sein, „wenn sie merken, dass sie die Situation dort bewältigen – und Herr der Lage und Herr ihrer eigenen Gefühle sind“.

Der renommierte Kriminologe Professor Christian Pfeiffer wiederum sieht das Camp zunächst eher nüchtern: „Das ist unter Marketing-Aspekten auf jeden Fall eine gute Idee für die Organisation – weil jeder neugierig sein wird, den Ort kennenzulernen, an dem sich diese grässliche Geschichte ereignet hat.“ Es sei ja niemand gezwungen, dorthin zu gehen. Gleichermaßen könne er nachvollziehen, dass die Veranstalter nun sagen: Wir wollen uns nicht von dieser Insel vertreiben lassen.

Gerade für diejenigen, die das Attentat miterleben mussten, sei es eine gute Gelegenheit, die Geschehnisse zu verarbeiten. „Wer wieder nach Utøya zurückkehrt, sich traut, das zu tun, begeht einen wichtigen Akt, die Blockade zu überwinden und die posttraumatische Belastungsstörung, die man möglicherweise erlitten hat, dadurch in den Griff zu bekommen.“ Die positiven neuen Erlebnisse, die während dieses Sommercamps entstehen, überlagerten die negativen Erlebnisse, die durch das Attentat mit der Insel verknüpft werden. „Wer das erlebt, tut sich was Gutes.“

Auf der Insel steht mittlerweile etwas abseits ein Denkmal. Auf einem großen Metallring sind die Namen der Opfer von Utøya eingestanzt. Doch das Mahnmal, das man „Die Lichtung“ getauft hat, verkörpert auch die noch immer offenen Wunden bei den Angehörigen. Neun der 69 Opfer fehlen. Ihre Familien ertragen es einfach noch nicht, den Namen ihrer Liebsten dort zu lesen. mit afp

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