Flug 4U9525: Die Suche nach dem Motiv geht weiter
Nach dem Absturz des Airbus mit 150 Toten werden immer mehr Details bekannt: über die Krankheit des Co-Piloten Andreas Lubitz, aber auch über dessen Privatleben.
War Andreas Lubitz ein Amokläufer, der 149 Menschen und sich selbst absichtlich und böswillig das Leben nahm? War er psychisch so schwer krank, dass er nicht wusste, was er tat? Oder ist der Airbus womöglich doch aus technischen Gründen verunglückt, wie manche trotz der Aussagen der Staatsanwaltschaft noch immer nicht ausschließen wollen?
150 Menschen starben, als die Passagiermaschine in den französischen Alpen mit 800 Stundenkilometern gegen einen Felsen krachte. Im Cockpit saß zu diesem Zeitpunkt nur ein Mann: der Co-Pilot Andreas Lubitz. „Wir müssen fassungslos zur Kenntnis nehmen, dass das Flugzeug willentlich zum Absturz gebracht wurde“, teilte die Lufthansa schon am Donnerstag mit. „In unseren schlimmsten Albträumen hätten wir uns nicht vorstellen können, dass sich solch eine Tragödie ereignen kann.“
Tage nach dem Unglück werden immer mehr Details zur Gesundheit und zu den Lebensumständen des 27-Jährigen bekannt. Er soll unter einer schweren psychischen Erkrankung und einer Störung des Sehvermögens gelitten haben, heißt es. Ermittler fanden bei der Durchsuchung seiner Wohnung Medikamente und Atteste. Für den Tag des Todesfluges war Lubitz eigentlich krankgeschrieben, die Krankschreibung lag aber zerrissen in seiner Wohnung. Das stütze „nach vorläufiger Bewertung die Annahme, dass der Verstorbene seine Erkrankung gegenüber dem Arbeitgeber und dem beruflichen Umfeld verheimlicht hat“, so die Staatsanwaltschaft Düsseldorf.
Die Spekulationen darüber, was Andreas Lubitz zu seiner Tat bewegt haben könnte, reißen nicht ab. Boulevardmedien berichten, dass er sich womöglich in einer psychischen Ausnahmesituation befand. Seine Freundin, eine 26-jährige Lehrerin, soll sich einen Tag vor dem Todesflug von ihm getrennt haben – nach sieben Jahren Beziehung. Andreas Lubitz habe sich in letzter Zeit irritierend verhalten, wird die junge Frau zitiert. Eigentlich hätten die beiden für das kommende Jahr ihre Hochzeit geplant, schreibt die britische Daily Mail. Die 26-Jährige soll von Lubitz schwanger sein, heißt es. Lubitz soll aber eine fünfmonatige Affäre mit einer Stewardess gehabt haben. Auch diese junge Frau hat sich mittlerweile gegenüber der Boulevardpresse geäußert. Auch sie erzählt von psychischen Auffälligkeiten des 27-Jährigen.
Der Copilot war mit "vermerkter Suizidalität" in Behandlung
Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf wollte sich zu all dem am Montag in einer Pressekonferenz nicht äußern. Es fehle „weiterhin sowohl an der belegbaren Ankündigung einer solchen Tat als auch an einem aufgefundenen Tatbekenntnis“, teilte Oberstaatsanwalt Rolf Herrenbrück mit. Und: „Ebenso wenig sind im unmittelbaren persönlichen und familiären Umfeld oder am Arbeitsplatz besondere Umstände bekannt geworden, die tragfähige Hinweise über ein mögliches Motiv geben können.“
Lubitz sei „vor mehreren Jahren, vor Erlangung des Pilotenscheines“ längere Zeit mit „vermerkter Suizidalität“ in psychotherapeutischer Behandlung gewesen. Bei späteren Arztbesuchen und Krankschreibungen sei aber keine Suizidalität oder Fremdaggressivität attestiert worden. Das Uniklinikum Düsseldorf hat der Staatsanwaltschaft nach eigenen Angaben mittlerweile die Krankenakten von Andreas Lubitz übermittelt.
Während die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft bislang keine Dokumente vorliegen hat, die eine organische Erkrankung belegen, berichten französische Zeitungen über eine starke Sehschwäche des Co-Piloten. Um 30 Prozent sei sein Sehvermögen eingeschränkt gewesen, schreibt Le Figaro – und beruft sich auf „hohe Ermittlerkreise“. Die Fluggesellschaft soll von all dem nichts gewusst haben. Unter Politikern und Ärzten hat die Katastrophe deshalb eine Debatte um die ärztliche Schweigepflicht ausgelöst.
CDU-Verkehrsexperte Dirk Fischer forderte eine Lockerung der Schweigepflicht für sensible Berufe. „Piloten müssen zu Ärzten gehen, die vom Arbeitgeber vorgegeben werden. Diese Ärzte müssen gegenüber dem Arbeitgeber und dem Luftfahrtbundesamt von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden sein“, sagte Fischer der Rheinischen Post. Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, warnte vor „vorschnellen politischen und rechtlichen Entscheidungen“. Er erklärte: „Die ärztliche Schweigepflicht ist ebenso wie das verfassungsrechtlich geschützte Patientengeheimnis ein hohes Gut und für alle Bürgerinnen und Bürger in Deutschland ein Menschenrecht.“
In Frankreich geht unterdessen die Bergung der Leichen weiter. Die Ermittler konnten inzwischen die DNA von 78 der 150 Menschen sichern, die bei dem Absturz ums Leben kamen. (mit dpa)
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