Gericht verurteilt deutschen Studenten für Randale bei Akademikerball
Nach sechs Monaten in Untersuchungshaft ist ein Student aus Jena jetzt in Wien zu einem Jahr Haft verurteilt worden. Am Urteil gibt es scharfe Kritik.
Das Straflandesgericht Wien verurteilte den Studenten wegen Landfriedensbruchs, versuchter schwerer Körperverletzung und schwerer Sachbeschädigung zu einem Jahr Haft. Acht Monate davon wurden zur Bewährung ausgesetzt. Unter Anrechnung seiner Untersuchungshaft kam der Student nach der Verhandlung frei.
Enttäuschung und Erleichterung über das Urteil
Im und vor dem Gerichtssaal hatten sich Dutzende von Unterstützern des Angeklagten aus Deutschland und Österreich eingefunden. Sie nahmen das Urteil, das sich auf die Aussage eines einzigen Polizisten stützt, mit Enttäuschung, aber auch mit Erleichterung auf. Der Schuldspruch sei bitter, die Freilassung ein kleiner Trost.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der 23-jährige Josef S. zu den Rädelsführern der teils gewalttätigen Demonstration gegen den Akademikerball gehörte. Der Ball wird alljährlich von der rechten FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs) veranstaltet und von zahlreichen Burschenschaftlern besucht. Er ist seit Jahren Zielscheibe vor allem von Demonstranten aus der linken Szene.
Die Bilanz der Demonstration: 20 Verletzte, 500.000 Euro Sachschaden
Bei den Ausschreitungen im Januar waren 20 Menschen verletzt worden und ein Sachschaden von rund 500 000 Euro entstanden. 6000 Menschen hatten protestiert. 2000 Polizisten waren im Einsatz, um die Veranstaltung zu schützen.
Der 23-jährige Deutsche war der Einzige, der seit sechs Monaten in Untersuchungshaft auf seinen Prozess warten musste. Sein Anwalt hatte von einem "Skandal" gesprochen, weil die Anklage in keinem Verhältnis zur mehrmonatigen U-Haft stehe. Der nicht vorbestrafte Student der Werkstoffwissenschaften hatte am Dienstag erneut seine Unschuld beteuert.
Trotz eines markanten Sweaters und einer reflektierenden Hose habe außer dem einen Beamten niemand seinen Mandanten bei einer strafbaren Handlung beobachtet, hatte sein Anwalt in seinem Plädoyer betont. Die Verteidigung hatte deshalb wegen erheblicher Zweifel an der Schuld des Angeklagten auf Freispruch plädiert.
Der Anwalt von Josef S. kann noch in Berufung gehen
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Verteidigung werde ihre bis zu drei Tagen währende Bedenkzeit nutzen, kündigte der Anwalt des 23-Jährigen an, und dann entscheiden, ob sie in Berufung gehe. "Für mich ist mein Sohn weiter unschuldig", sagte der Vater des Verurteilten.
Das Gericht erklärte, der 23-Jährige habe Polizisten unter anderem mit Steinen beworfen, die Eingangstür einer Polizeiinspektion mit einer Eisenstange zertrümmert und mit derselben Stange gemeinsam mit anderen Tätern die Karosserie und die Windschutzscheibe eines Polizei-Fahrzeugs demoliert. Schließlich habe er eine Rauchbombe im Inneren des Wagens gezündet.
Scharfe Kritik von Politikern und Presse
Die Grünen in der Heimat des Angeklagten, Thüringen, äußerten sich am Dienstag "bestürzt". Sie seien sich mit den österreichischen Grünen einig, dass das Urteil revidiert werden müsse, erklärte die Landessprecherin Stephanie Erben. "Menschen, die rechtem Gedankengut entschieden entgegentreten, verdienen unsere Unterstützung" und dürften nicht kriminalisiert werden, so Erben.
Der Spiegel kritisiert das Urteil als "Schuldspruch aus Mangel an Beweisen". Auch in österreichischen Medien gibt es vielfach Kritik an dem Urteil. Die Zeitung Die Presse spricht in ihrer Mittwochsausgabe von "keiner Sternstunde des Rechtsstaats":
"Es bleibt ein Armutszeugnis für die Ermittlungsarbeit der Wiener Behörden, dass sechs Monate, nachdem ein randalierender Mob durch die Innenstadt gezogen ist, genau ein einziges Urteil gefallen ist - das genauso gut auf Freispruch lauten hätte können, wenn nur einem einzigen Beamten bei seiner Aussage die Stimme gezittert hätte." dpa, afp, AZ
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