Halbzeit in der Freiluftsaison: So bleibt das Fahrrad in Schuss
Es ist Halbzeit in der Freiluftsaison. Profis verraten, wie das strapazierte Gefährt wieder auf Bestleistung getrimmt wird.
„Das bisschen Haushalt macht sich von allein“, sang 1977 Johanna von Koczian. Weil das aber nachweislich nicht stimmt, geben wir in unserer Serie rund um den Haushalt wertvolle Tipps von Fachleuten weiter: zum Putzen, Nähen oder Kochen. Im 18. Teil der Serie geht es ums Fahrrad: Ob gemütlicher Freizeitradler, Zweiradpendler oder Bergfex auf Rädern, mitten im Sommer dürfte der treue Drahtesel die ersten Verschleißerscheinungen zeigen und wir haben uns bei den Profis erkundigt, wie das Gefährt wieder auf Bestleistung getrimmt werden kann.
Teuer heißt nicht besser
Reiner und Günter Bröll betreiben in Langweid ein Fachgeschäft für „Pedalisten“ und räumen spontan mit dem Mythos auf, dass man nur mit teuersten Spezialmittelchen dem Rad an die Speichen gehen kann, um es wieder auf Hochglanz zu bekommen. Sogar spezielle Fahrradreiniger könnten fetthaltige Bestandteile enthalten und wenn die Bremsscheiben damit in Berührung kommen, geht es los mit dem Gequietsche und, viel schlimmer, die Bremsleistung nimmt ab, so die Warnung von denen, die es wissen müssen.
Reinigung am besten mit Wasser
„Einfach mit viel Wasser den groben Schmutz lösen und abspülen, danach mit einem weichen Lappen polieren“, ist Günter Brölls Empfehlung. Dabei sollte man tunlichst die Hände vom Hochdruckreiniger lassen, auch wenn der Gedanke an schnelle, porentiefe Reinigung verführerisch ist. „Natürlich könnte man das Gerät benutzen, wenn man das Fahrrad wirklich nur aus drei Metern Entfernung besprüht, aber das macht doch keiner; wo es schmutzig ist, wird kräftig draufgehalten und nachher hat man Feuchtigkeit überall dort, wo sie nicht hingehört“, weiß der Fachmann. Naben und Gelenke mögen es nämlich gar nicht, wenn man das Fett aus ihnen herausspült und E-Bike-Motoren könnten ausgesprochen allergisch auf die kraftvolle Dusche reagieren. Aus dem Eimer oder höchstens mit feinem Strahl aus dem Gartenschlauch sollte das Waschwasser kommen.
Alkohol für die Bremsscheiben
Wenn man unbedingt möchte, kann man mit reinem Alkohol die Bremsscheiben reinigen, muss dabei aber darauf achten, dass nicht andere Fahrradteile damit in Kontakt kommen und Schaden nehmen. Denn wenn der Lack erst stumpf geputzt ist, hilft auch die späte Reue nicht mehr. „Moderne Räder bestehen oft aus verschiedenen Materialien, da ist Vorsicht geboten“, warnt Reiner Bröll vor zu viel Eifer am Putztag. Wer sich nicht sicher ist, sollte bei seinem Händler vorbeischauen, da gibt es verlässliche Tipps, was der eigene Renner am besten verträgt.
Vertrauen in Technik ist gut, Kontrolle ist besser
Grundsätzlich sollten Tauchrohre von Federgabeln und Dämpfer regelmäßig mit einem trockenen Tuch sauber gerieben werden, beginnt Reiner Bröll die Liste der regelmäßigen Gesundheitschecks fürs Velo. „Sinnvolle Spezialreiniger gibt es für die Kette, die auch immer wieder leicht nachgeölt werden sollte; ein kritischer Blick auf die Reifen kann frustrierende Pannen vermeiden.“ Eine Sichtkontrolle, aber auch eine Kontrolle des Luftdrucks empfiehlt der Profi mindestens alle vier Wochen. Kleine Verluste gebe es beim Luftdruck immer und das optimale Rollen braucht die nötigen Bar. Auch in puncto Pannensicherheit verspricht die Werbung der Reifenhersteller mehr, als tatsächlich machbar ist. „Unplattbar“ oder „unkaputtbar“, wie mancher Pneu von den Herstellern beschrieben wird, ist keiner, rückt Reiner Bröll das übertrieben positive Bild aus der Werbung zurecht. Es gebe sehr gute und deutlich pannensicherere Gummis, doch die Verstärkung sei vorwiegend im Laufbereich aufgebracht. An den Flanken sind diese Spezialreifen ebenso verletzlich wie die „Normalos“, wenn auch solche Schäden sehr viel seltener vorkommen als das typische Nagelloch oder der Schnitt durch eine Glasscherbe auf der Lauffläche.
Sicherheit hat Priorität
Sicherheit sollte beim Fahrradfahren immer Priorität haben, daher gehört zum regelmäßigen Rundumcheck auch der wachsame Blick auf die Bremsbeläge, auf die Beleuchtung und auf die Reflektoren. Wer in der Dämmerung und im Dunkeln unterwegs ist, macht sich mit einer reflektierenden Warnweste besser sichtbar und ein guter Helm schützt vor schweren Kopfverletzungen.
Persönliche Einsicht, statt Helmpflicht
Trotzdem sind die Brüder nicht für ein Gesetz zur Helmpflicht: „Gute Helme bieten hervorragenden Schutz und es ist Wahnsinn, was die so aushalten“, erzählen sie vom gut ausgegangenen Unfall eines Kunden. Der konnte einer sich plötzlich öffnenden Autotür nicht mehr ausweichen und stürzte schwer auf den Asphalt. Doch der Kopf blieb dank des Helms, der sogar zerbrach, heil. Trotzdem sei eine gesetzliche Vorschrift der falsche Weg, die persönliche Einsicht müsse sich einstellen, sind sie beiden Fachleute überzeugt.
Für jeden Typ das richtige Fahrrad
Der eine nutzt das Fahrrad als Sportgerät, der andere sieht es als kostengünstiges Transportmittel, das den Fahrer auf dem täglichen Weg zur Arbeit von Bus und Bahn unabhängig und auch noch fit macht. Immer mehr voll bepackte Reiseradler haben ihren Spaß dabei, wochenlang mit Muskelkraft unterwegs zu sein. Und für jeden gibt es das passende Rad und die praktischste Ausrüstung bei immer größerer Produktauswahl.
Ein Tragsystem für viele Taschen
Bei den Taschen sieht Reiner Bröll den Trend zu zueinander passenden Teilen, die auf einem einzigen Tragsystem genutzt werden können. Mal klickt sich der Einkaufskorb auf den Gepäckträger, kurz danach das schicke Topcase oder die geräumige Tasche, die beim Stadtbummel über der Schulter getragen werden kann. Einkaufskörbe sollten wegen der Gewichtsverteilung am besten hinten auf dem Rad befestigt werden, kleine Lenkertaschen können nach vorne und bieten genug Platz für Schlüssel, Geldbörse und Kleinigkeiten. Ganz andere Kaliber an Ausrüstung brauchen die Reiseradler, die ihre gesamte Urlaubsgarderobe und oft auch noch die Campingausrüstung in wasserdichten Packtaschen verstaut haben.
Zubehör für jeden Geschmack
Für den ganz großen Wochenendeinkauf gibt es inzwischen richtige Einkaufstrolleys, die mit einem Kupplungssystem am Gepäckträger befestigt werden können und dann wie ein Anhänger nach Hause gezogen werden. „Der Zubehörmarkt ist riesig. Man muss immer schauen, was für den Einzelnen passt und auch gefällt“, hütet sich Reiner Bröll davor, generelle Empfehlungen auszusprechen.
Freiheit, Wind in den Haaren und Sonne auf der Haut
Gut in Schuss und mit allem Nötigen und so manchem Unnötigen ausgestattet, bietet so ein Radl auf jeden Fall das, was man sich vom Sommer erwartet: grenzenlose Freiheit, Wind in den Haaren und Sonne auf der Haut. Wenn das Wetter mitspielt.
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