"Inferno" mit Tom Hanks: Die nächste Schnitzeljagd von Dan Brown
Bei "Inferno" ist es wie immer: Professor Langdon und seine Assistentin jagen einem Erzbösewicht hinterher. Wieder liefert eine Geistesgröße eine verschlüsselte Spur. Die Kritik.
Für einen Harvard-Professor sieht Robert Langdon (Tom Hanks) ganz schön ramponiert aus: Platzwunde am Kopf, zerrissenes Jackett und am Handgelenk statt der geliebten Mickymaus-Uhr ein Patienten-Armband des Hospitals. Die Erinnerung an die letzten zwei Tage sind in seinem Kopf ausgelöscht. Stattdessen arbeiten sich Albträume aus dem Unterbewusstsein hervor, in denen dämonische Gestalten, blutrote Flutwellen und eine verschleierte Frau nichts Gutes verheißen.
"Inferno" mit Tom Hanks: Film beginnt mit einem demontierten Helden
Mit einem demontierten Helden beginnt „Inferno“, die Adaption des Romans von Dan Brown, dessen Vorgängerwerke „Illuminati“ und „Das Sakrileg“ zu den meistverkauftesten Büchern unserer Zeit gehören und mit zwei Verfilmungen weltweit 1,24 Milliarden Dollar einspielten. Schnitzeljagd und Schatzsuche sind auf Kindergeburtstagen immer noch die beliebtesten Spiele und auf diesen urmenschlichen Modus von Hetzen und Entdecken bauen auch Browns Romane auf.
Das ist in „Inferno“ nicht anders. Langdon wird nicht nur von Albträumen verfolgt, sondern auch von Finsterlingen wie Regierungsorganisationen und muss ganz nebenbei noch die Welt vor einem biogenetischen Terrorakt bewahren. Ein Milliardär will im Alleingang den Planeten vor den Folgen der Überbevölkerung schützen, indem er eine künstliche Seuche in Gang setzt. So wie die Pest den Weg für die Renaissance geebnet hat, will Bertrand Zobrist (Ben Foster) einen Neuanfang durch gewaltsame Entvölkerung herbeiführen.
Gleich zu Beginn stürzt sich der Bösewicht, nachdem er die Zeitbombe gelegt hat, malerisch vom Badia Fiorentina, nicht ohne – warum auch immer – eine verschlüsselte Spur zu hinterlassen. In „Das Sakrileg“ waren es die Werke Da Vincis, in „Illuminati“ die Schriften Galileis, die den Weg wiesen. Nun liefert Dantes „Göttliche Komödie“ den Fahrplan für eine bildungsbürgerliche Achterbahnfahrt entlang der Kunstschätze von Florenz, Venedig und Istanbul. Als Weggefährtin wird dem versierten Symbolforscher die Ärztin und universell hochbegabte Sienna Brooks (Felicity Jones) zur Seite gestellt.
Keine amourösen Komplikationen bei Dan Browns "Inferno"
Dankenswerterweise verzichtet Ron Howards Adaption im Gegensatz zur Romanvorlage auf eine Romanze. Ohne amouröse Komplikationen hecheln die beiden verfolgt von einer schießwütigen Carabiniera (Ana Ularu) und einem undurchsichtigen WHO-Ermittler (Omar Sy) von einer Station zur nächsten. Sie schaffen es immer gerade so, das Rätsel zu lösen, bevor feindlicher Beschuss zum Weiterrennen auffordert. Dabei werden freilich die Phasen kunstgeschichtlicher Kontemplation gegenüber den Action-Anteilen deutlich kürzer gehalten. Das alles kann man sich gut anschauen, weil die Entschlüsselungs-Locations vom Palazzo Vecchio über den Markusdom bis zur Hagia Sophia gut gewählt sind. Aber auch wenn der Unterhaltungsfaktor über dem eines Diavortrages bei reiselustigen Freunden liegt, setzen irgendwann Ermüdungserscheinungen ein.
Die Erzählung gehorcht bis auf einige, wenige gewagte (aber nicht unbedingt gelungene) Plotwendungen dem immer gleichen dramaturgischen Schema, das auch die beiden ersten Filme antrieb. Anders als in den Vorgängerwerken sind die Gemälde, Skulpturen und Schriften nicht Gegenstand von Interpretationen, die mit der Thriller-Handlung verschmelzen, sondern dienen zumeist nur als Briefkasten für die aufwendige Schnitzeljagd. Im Film wird zur Gewissheit: Das Erfolgskonzept hat sich abgeschliffen und verlangt nicht nach weiterer Variation, sondern nach einer grundlegenden Neubearbeitung – oder einem würdevollen Begräbnis. ***
Filmstart in vielen Kinos der Region
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