Irrt der Papst beim Vaterunser?
Die Debatte über das Gebet dauert an – seitdem Franziskus sagte, eine Passage sei schlecht übersetzt. Nun äußern sich die Theologin Margot Käßmann und der Mainzer Bischof dazu.
Da hat Franziskus ja wieder etwas angerichtet – oder angestoßen. Eine ärgerliche und überflüssige – oder eben eine überfällige Debatte, je nach Sichtweise. Ausgelöst hat der Papst in jedem Fall einen Streit übers Vaterunser, das Gebet des Christentums.
Seitdem er am 6. Dezember in einem Interview mit dem Fernsehsender der italienischen Bischofskonferenz, TV2000, sagte, die Bitte „und führe uns nicht in Versuchung“ sei schlecht übersetzt. Der Papst zweifelt am Vaterunser? Soll die biblische Überlieferung, gar Jesus mit einer Neuübersetzung korrigiert werden, auf die Franziskus in dem Interview ausdrücklich hinweist?
„Lass uns nicht in die Versuchung eintreten“, so die wörtliche Übersetzung aus dem Französischen, jedenfalls wird seit dem ersten Advent in katholischen Kirchen in Frankreich gebetet. Statt „und führe uns nicht in Versuchung“. Denn, sagt der Papst, nicht Gott schubse „mich in die Versuchung“. Sondern Satan. Die Meinungen darüber gehen auseinander, schnell wird es grundsätzlich. So schreibt etwa die Bild am Sonntag: „Aber wenn die Worte nicht stimmen, muss die Frage erlaubt sein: Ist dann die ganze Botschaft falsch?“ Und: „Wie lange beten wir das Vaterunser noch so, wie wir es kennen?“
Vaterunser: Margot Käßmann will alles belassen, wie es ist
Die Zeitung bot die evangelische Theologin und frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, auf. Die schrieb in einem Gastbeitrag: „Wenn wir anfangen, Änderungen zu diskutieren, gibt es unzählige Kommissionen, Vorschläge, Auseinandersetzungen.“ Das Vaterunser solle doch belassen werden, wie es ist. „Wie heißt es: ,Und führe uns nicht in Versuchung‘ (Matthäus 6,13). Bleiben Sie behütet!“
Mit dieser Ansicht weiß sie auch katholische deutsche Bischöfe hinter sich. Etwa den Mainzer Bischof Peter Kohlgraf. Der schrieb am Sonntag in einem langen Facebook-Beitrag, es führe „kein Weg an der Feststellung vorbei, dass die deutsche Übersetzung dem griechischen Urtext im Matthäus- und Lukasevangelium entspricht“. Jesus selbst werde der Ruf nach dem scheinbar abwesenden Gott am Kreuz nicht erspart. Nicht nur der Satan, auch Gott oder der Heilige Geist, so Kohlgraf, führten in existenzielle Prüfungssituationen. „Mir scheint es nicht sinnvoll, das Gottesbild weich zu spülen und alles wegzustreichen, was ich nicht verstehe. Allein, dass über ein Gebet so diskutiert wird wie derzeit, spricht dafür, die Übersetzung zu belassen.“ Die Debatte wird weitergehen.
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