"Jacques - Entdecker der Ozeane": Held mit dunkler Seite
Mit seinen Expeditionen war er ein Held im Fernsehen. Der Franzose Cousteau hatte aber auch dunkle Seiten – und die spart der Film "Jacques - Entdecker der Ozeane" nicht aus.
Die hagere Gestalt, das markante Gesicht und die rote Mütze – in den siebziger und achtziger Jahren gehörte Jacques Cousteau (1910–1997) zu den wichtigsten Fernsehikonen, nicht nur in Frankreich, auch in Deutschland und vielen anderen Teilen der Welt. Seine Reisen in die Tiefen der Ozeane brachten die ersten Bilder aus den Unterwasserwelten in die Wohnzimmer und auf die Kino-Leinwand. Drei Oscars und sogar die Goldene Palme in Cannes hat Cousteau mit seinen maritimen Dokumentarfilmen gewonnen.
Nun hat Jérôme Salle („Zulu“) dem Pionier der Meeresforschung ein Biopic gewidmet, das sich die französische Produktionsfirma sagenhafte 35 Millionen Euro hat kosten lassen – ein für europäische Verhältnisse äußerst großzügiges Budget. Das Geld ist gut angelegt, denn wer einen Film über Cousteau machen will, muss auch optisch mit den Arbeiten des Protagonisten konkurrieren können.
Von der Côte d’Azur über den persischen Golf bis in die Antarktis reist „Jacques“ und befördert faszinierende Landschafts- und Unterwasseraufnahmen hervor – auch wenn sie nicht mehr so einzigartig wie noch zu Cousteaus Schaffenszeit sind. Die Originaltreue war Jérôme Salle nicht nur aus ästhetischen Gründen wichtig, schließlich nimmt die Antarktis eine Schlüsselrolle im Film wie in Cousteaus Leben ein: „Es war der letzte Kampf von Cousteau, dem es 1998 gelang, die mächtigsten Männer der Welt dazu zu bringen, ein Moratorium zu unterzeichnen, das die industrielle Ausbeutung der Ressourcen dieser Weltgegend bis 2048 einfriert.“
Kritik: "Jacques - Entdecker der Ozeane" nicht ohne Pathos
Darüber hinaus bewegt sich die biografische Erzählung jedoch in konventionellen chronologischen Bahnen. Dabei ist Salle nicht an einem Fan-Event gelegen. Vielmehr zeichnet er Cousteau (Lambert Wilson) als durchaus widersprüchlichen und oftmals unsympathischen Charakter. Um mit seiner Frau Simone (Audrey Tautou) auf der „Calypso“ in die weite Welt reisen zu können, werden die beiden Söhne einfach ins Internat abgeschoben. Am Anfang ist Cousteau von seiner maritimen Obsession angetrieben, später – als er mit einer amerikanischen Produktionsfirma arbeitet – von einem knallharten Wirtschaftskalkül. Denn nur durch die mediale Vermarktung kann er seine Forschungsarbeiten finanzieren, in denen der Wissenschaftler sogar die Vision einer Besiedlung des Meeresgrundes verfolgt.
Mit der ehelichen Treue hält Cousteau es genauso defizitär wie mit der väterlichen Liebe. Das Verhältnis zu seinem Sohn Philippe (Pierre Niney) bleibt auch im Erwachsenenalter belastet, als der Junior ins Cousteau’sche Filmimperium einbezogen wird. Die schwierige Vater-Sohn-Beziehung steht im emotionalen Zentrum des Filmes. Die Spannungen lösen sich erst auf, als es Philippe wenige Jahre vor seinem tragischen Tod durch einen Flugzeugabsturz gelingt, den Vater in sein Engagement zum Schutz der Meere und Antarktis einzubinden.
Sehr nuanciert spielt Lambert Wilson den widersprüchlichen Charismatiker, der durch seinen enormen Tatendrang äußerst anziehend wirken und in seiner Egozentrik aber auch eine große Gefühlskälte abstrahlen kann. Innerhalb der Konventionen des Biopics, in dessen Grenzen sich „Jacques“ selbstbewusst, wenn auch nicht frei von Pathos bewegt, ist ein solches Differenzierungsvermögen keine Selbstverständlichkeit.
Wertung: 4 / 5
Die Diskussion ist geschlossen.