Landkreis Landsberg: Bub siegt mit Schülerzeitung vor Gericht
Der Siebtklässler Stephan Albrecht wollte sich den Verkauf der Schülerzeitung "Bazillus" nicht verbieten lassen. Das Verwaltungsgericht München gab ihm recht.
Sie bezeichnen sich im Editorial selbst als "echte Bazis", die selbstständig sein wollen. Und dass sie das sind, hat ihr verantwortlicher Redakteur Stephan Albrecht jetzt gezeigt:
Der Zwölfjährige aus Denklingen (Landkreis Landsberg), gesetzlich vertreten durch seine Eltern Tyll-Patrick und Marion Albrecht, erstritt beim Bayerischen Verwaltungsgericht München das Recht, die Schülerzeitung "Bazillus" am Ignaz-Kögler-Gymnasium (IKG) in Landsberg verteilen zu dürfen.
Die Schulleiterin Ursula Triller hatte das nach Rücksprache mit dem Kultusministerium untersagt. Begründung: Es dürfe an jeder Schule nur eine Schülerzeitung geben. Und die heißt am Ignaz-Kögler-Gymnasium "Virus".
Schüler ergreifen Selbsthilfe
Allerdings ist der "Virus" das letzte Mal im Schuljahr 2009/2010 erschienen. Tatendurstige Nachwuchsjournalisten wie der zwölfjährige Stephan, seine zehnjährige Schwester Sophie und zehn andere Sechst- und Siebtklässler hatten also keine Möglichkeit, ihre harmlosen, aber pfiffigen Interviews, Reportagen, Porträts, Fotos und Zeichnungen, Buchtipps und Witze zu veröffentlichen. Da griff die Clique kurzerhand zur Selbsthilfe und gründete den "Bazillus".
Erst Ja. Dann Nein
Ihre Leser-Zielgruppe ist die Unterstufe. Und die sei ohnehin thematisch im "Virus" immer zu kurz gekommen. Die erste Ausgabe des "Bazillus", die im Juli erschien, durfte auch mit Zustimmung der Schulleitung verkauft werden. Danach änderte die Direktorin ihre Meinung. Warum, war im persönlichen Gespräch nicht zu klären. Ursula Triller ließ ihre Mitarbeiterin ausrichten, dass nur das Kultusministerium Auskunft gebe.
Schulleitung erteilte keine Erlaubnis
Dort ist zu erfahren, dass die Ablehnung der zweiten "Bazillus"-Ausgabe keine inhaltlichen Gründe habe. "Es ist in keiner Weise Zensur ausgeübt worden", erklärte Ministeriumssprecherin Marie Brune. Das Ansichtsexemplar, das die Schulleitung am 26. Oktober erhalten hatte, war zwei Tage später zurückgeschickt worden – ohne die erbetene Erlaubnis, die zweite Ausgabe des "Bazillus" verkaufen zu dürfen. Aus pädagogischen Gründen sei die Schulleitung der Auffassung, so die Ministeriumssprecherin, dass es besser sei, wenn sich die Teams, die an einer Schülerzeitung mitarbeiten wollen, in einer Redaktion zusammenfinden. Vielfalt und Meinungsfreiheit sollten in einem gemeinsamen Produkt zum Ausdruck kommen, nämlich in der traditionellen Schülerzeitung "Virus".
Pro Schule nur eine Zeitung
Das Kultusministerium selbst habe die Rechtsauffassung vertreten, dass Paragraf 63 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen, in dem es um die Schülerzeitung geht, so zu verstehen sei, dass es pro Schule nur eine Schülerzeitung geben solle. Dass das Verwaltungsgericht dies nun anders sehe, werde aber akzeptiert. "Dem Wortlaut des Gesetzes kann nicht entnommen werden, dass es nur eine Schülerzeitung an jeder Schule geben darf", heißt es in der einstweiligen Anordnung des Gerichts. Stephan Albrecht und seine Mitstreiter wollen jetzt auch weitermachen. Ihnen sei zwar angeboten worden, ihre Artikel im "Virus" zu veröffentlichen, aber da seit langem kein "Virus" mehr erschienen ist, sei dieser Vorschlag sinnlos. Stephan dreht den Spieß sogar um: "Die ,Virus‘-Mitarbeiter könnten ja auch zu uns kommen."
Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern
Zu der Klage habe es keine Alternative gegeben. Nachdem sich einige Beiträge auf Ereignisse beziehen, die schon eine Weile zurückliegen – etwa Halloween oder eine Ausstellung an der Schule, die schon gar nicht mehr zu sehen ist –, sei die Eilentscheidung des Gerichts notwendig gewesen. So sieht es auch das Gericht: "Schließlich ist Presse durch Aktualität gekennzeichnet", heißt es in dem Beschluss.
Bei dem gerichtlich erzwungenen Verkauf an der Schule habe sich die Gruppe allerdings "sehr schwer getan", gesteht Stephan. "Die Lehrer haben uns aktiv abgewiesen", sagte er gestern. Nur ein Lehrer habe ihnen einen "Bazillus" für einen Euro abgekauft.
Verfahren ist bislang einzigartig
Ratgeber der "Bazillus"-Redaktion und Vermittler des Anwalts war die "Junge Presse", die sich mit 550 ehrenamtlichen Mitarbeitern als Landesverband der bayerischen Schülermedien versteht. Von Nürnberg aus organisiert er Seminare, stellt Presseausweise aus und kümmert sich um Zensurfälle. "Die gibt es laufend", erklärte der zuständige Referent Roman Kindl. Aber ein Verfahren wie das von Stephan Albrecht sei bislang einzigartig. AZ
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