Lauterbach und Fürmann über das Oktoberfest-Attentat: Die Menschen wachrütteln
Der Oktoberfest-Anschlag war einer der schwersten in Deutschland. Erst über 30 Jahre später wird er im Film thematisiert mit Benno Fürmann und Heiner Lauterbach in den Hauptrollen.
Seit über 30 Jahren versucht der Journalist Ulrich Chaussy vom Bayerischen Rundfunk mehr Licht ins Dunkel des blutigen Attentates auf das Oktoberfest in München zu bringen. Er geht der Frage nach: War es tatsächlich ein Einzeltäter oder steckte ein Neonazi-Netzwerk wie der gerade aufgeflogene Nationalsozialistische Untergrund (NSU) dahinter? Der Oktoberfest-Anschlag 1980 war mit 13 Toten und mehr als 200 Verletzten der schwerste in der Bundesrepublik. Der am Donnerstag in die Kinos gekommene Film "Der blinde Fleck" erzählt Chaussys Geschichte. Die Hauptrollen in dem Film spielen Benno Fürmann (Ulrich Chaussy) und Heiner Lauterbach (Staatsschutzchef Dr. Hans Langemann).
Herr Fürmann, was hat Sie gereizt, Chaussy zu spielen?
Fürmann: Als Schauspieler sucht man nach einem starken Motor, und der Motor von Ulrich Chaussy läuft mit einer Leidenschaft, die ich inspirierend finde. Dass sich jemand drei Jahrzehnte einer Thematik verschrieben hat, kenne ich als Schauspieler nicht. Wir Schauspieler sind ja eher Sprinter. Ich finde den Menschen Chaussy beeindruckend: Jemand, der von Außen der Demokratie auf die Finger klopft, der sagt: "So kann es nicht gewesen sein!", jemand, der Gerechtigkeit für die Hinterbliebenen und die Opfer einfordert; jemand, der fragt: "Warum ist der Staat auf dem rechten Auge so blind?". Ich habe aber nicht versucht, ihn zu imitieren, sondern ich habe eine durch ihn inspirierte Figur gespielt, die auch viel mit mir zu tun hat.
Verfilmung des Oktoberfest-Attentats: Seriöses Vorgehen
Herr Lauterbach, und was hat Sie bewogen, die Rolle anzunehmen?
Lauterbach: Ich war sehr überrascht, dass das Thema noch nicht verfilmt worden ist. Ich konnte das gar nicht glauben. Zudem bin ich ein großer Freund der Verfilmung großer historischer Ereignisse und historischer Figuren. Es ist spannend mit Zeitzeugen zu reden oder historische Zeitungsausschnitte zu lesen. Man kann aber nicht einfach drauflos spielen. Man steht in der Verantwortung der Betroffenen und ihrer Verwandten, das "seriös" vonstattengehen zu lassen.
Warum wurde das Thema Oktoberfest-Attentat erst jetzt verfilmt?
Lauterbach: Das weiß keiner. Dass Regisseure wie Bernd Eichinger oder Nico Hofmann das nicht aufgegriffen haben, wundert mich. Auf der Suche nach historischen Themen für unsere kleine Produktionsfirma habe ich kürzlich ein Buch zu 50 Jahre "Bild"-Zeitung durchforstet. Und alles, was einigermaßen danach aussah, ist verfilmt worden - außer dem Oktoberfest-Attentat. Alle solche Sachen - wie das Bergwerksunglück von Lengede oder die Sturmflut - sind abgegrast.
Benno Fürmann: Geheimdienste kontrollieren
Hat sich seit der Zeit des Oktoberfest-Anschlags viel geändert?
Fürmann: Auch wenn man die Linken jetzt nicht mehr sofort verantwortlich macht, ist die Frage weiter berechtigt: "Wie stark ist der Wille in unserem Land, rechten Terror, rechte Netzwerke ernst zu nehmen? Wie ernsthaft will man da hingucken? Wer hat Interesse an was? Und wie kann man Geheimdienste kontrollieren?". Denn das Totschlagargument des Quellenschutzes kann's auch nicht sein. Wir brauchen nach wie vor Hebel, die die Geheimdienste transparenter machen.
Lauterbach: Ulrich Chaussy hat da viel bewirkt. Es sind ja in unserer ganzen Geschichte immer wieder einzelne Leute, die irgendeinen Anstoß geben und für Veränderungen sorgen - sei es Entdecker, Politiker oder Journalisten. Ich glaube, dass sich da einiges getan hat. Ich finde es toll, dass solche Dinge - wie auch die Watergate-Affäre - von Journalisten aufgedeckt werden. Je häufiger das geschieht, desto schwerer wird es, Dinge zu vertuschen.
Was hat Ihrer Ansicht nach die Aufdeckung des NSU-Skandals bewirkt?
Fürmann: Durch den Mord an so vielen türkischen Mitbürgern bekommt das Grauen ein Gesicht. Dass das so lange ignoriert wurde, obwohl es auch Hinweise gab und V-Leute des Verfassungsschutzes in der Nähe waren, hat das Problem plastischer gemacht. Die Problematik des Umgangs mit V-Leuten ist dadurch nicht geringer geworden. Die Frage ist immer noch: "Ist der Informant Nazi oder in erster Linie V-Mann?". Mein innigster Wunsch ist es, dass der "Blinde Fleck" dazu beiträgt, die Menschen weiter wachzurütteln.
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