"Mädchen für alles" von Charlotte Roche: Literatur oder Plapperprosa?
Nach "Feuchtgebiete" und "Schoßgebete" nun also "Mädchen für alles": Als Literatur funktioniert Charlotte Roches neues Buch zwar nicht, dafür aber vielleicht als Provokation.
Christine Schneider hat alles: Mann, Kind, Haus. Doch damit fangen die Probleme erst an: Den Beruf hat sie aufgegeben für die kleine Familie. Freundinnen sind keine mehr vorhanden, dafür eine stattliche Taille. Von ihrem Mann Jörg fühlt sie sich entfremdet, da läuft nicht mehr viel in Sachen Liebe und Sex. Ihre Tochter Mila macht viel Arbeit, zu viel für ihre Mutter. Kaum zu übersehen: Da ist jemand überfordert.
Christine, die sich Chrissi nennt, ist die Ich-Erzählerin in Charlotte Roches neuem Roman „Mädchen für alles“. Sie tritt die Nachfolge der Ich-Erzählerinnen Helen aus „Feuchtgebiete“ und Elisabeth aus „Schoßgebete“ an, die beide sehr deutlich autobiografische Züge ihrer Autorin tragen. Die omnipräsente Körperlichkeit, die aufgeklärte Weiblichkeit, die manischen Selbsterkundungen der Figuren sind Teil eines therapeutischen Versuchs mit offenem Ausgang. Roche hat daraus nie ein Geheimnis gemacht, im Gegenteil: Ihre Prominenz ist für Frau Roche hilfreich, die Protokolle der eigenen Traumata erfolgreich zu vermarkten.
Charlotte Roche soll in "Mädchen für alles" nicht selbst das Thema sein
Diesmal soll jedoch weniger die Autorin privat das Thema sein, statt dessen viel mehr „ein Roman“ über die Rolle der Frau als Mutter – obwohl die Autorin ja auch selbst Mutter ist. Das tradierte Bild jedenfalls: eine sich selbst optimierende Mensch-Maschine, die zu laufen hat, ohne aufzumucken.
Vom emanzipatorischen Anspruch der Autorin gegen dieses Mutterbild lebt das Buch. Chrissi tut alles für eine Flucht: nimmt Drogen, kauft Markenfirlefanz, will verreisen, sich neu verlieben, sich rächen. Babysitterin Marie wird dabei zum „Mädchen für alles“ – bis hin zu lesbischem Sex, offenherzig geschildert. Und je mehr Chrissi sich von Konventionen befreit, je mehr Realität und Fiktion verschwimmen, umso näher scheint sie sich und ihrem Glück zu kommen.
So befreit Charlotte Roches Buch zumindest die egomane Ich-Erzählerin Stück für Stück von aller Last der irdischen Existenz als Frau und Mutter. Als naiver Erfahrungsbericht einer Flucht vor sich und anderen könnte es noch zur leichten Provokation taugen – als Literatur funktioniert die Plapperprosa aber nicht. So eindimensional und schablonenhaft konstruiert und komprimiert ist selbst das Leben in jenen TV-Serien nicht, die Schneider und Roche so mögen.
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