Nach 700 Folgen "Zimmer frei": Der große Kindergeburtstag ist zu Ende
Am Sonntag läuft die 700. Ausgabe von „Zimmer frei!“. Die Show hat TV-Geschichte geschrieben. Der verantwortliche Redakteur verrät, wie es hinter den Kulissen zugeht.
Heute war so ein Tag, an dem ich Christine Westermann und Götz Alsmann am liebsten auf den Mond geschossen hätte. „Rückfahrt nur, wenn ihr euch endlich einigt!“, hätte ich ihnen gerne hinterhergerufen. Wir diskutieren gerade über eine Aktion des Abschiedsspecials, es geht um das letzte Spiel des Show-Klassikers „Zimmer frei!“, 20 Jahre und 699 Folgen nach der Premiere.
Ich telefoniere zwischen Christine und Götz hin und her, ihre vollen Terminkalender lassen keine Telefonkonferenz zu. Christine möchte das Pantomime-Spiel machen: Dschungeltiere im Urwald darstellen. Am besten mit einem albernen Hut auf dem Kopf, damit wir auch in der letzten Folge lustige Kostüme haben, so wie es bei „Zimmer frei!“ von Anfang an Tradition war. Und unbedingt auch mit zwei Schauspielern, als Affen verkleidet.
Das andere Spiel, Gemüseteile zwischen den Knien zu transportieren und dabei einen albernen Gemüse-Hut zu tragen, hält Christine für unterirdisch. Götz dagegen findet genau dieses verrückte Wettrennen großartig. Gegen ein Pantomime-Spiel habe er ja grundsätzlich nichts einzuwenden, sagt er. Aber sich zu kostümieren und etwas pantomimisch darzustellen, das passe nicht zusammen. Und so sehr er die Schauspieler liebe, die schon so oft in der Sendung für skurrile Bilderrätsel gesorgt haben, hier würden sie doch nur von der Pantomime ablenken, findet Götz. Ich maile unserem Autorenteam. Wir werden nochmals brain-stormen müssen.
Moderatoren sind vor der Kamera genauso wie dahinter
Gott sei Dank haben wir nach kurzer Zeit eine ganz neue Idee. Und mein Ärger ist verflogen. Irgendwie hatten beide Moderatoren recht. Und die Akribie, mit der Christine und Götz auch im Vorfeld der letzten Sendung für die besten Inhalte kämpfen, beeindruckt mich – wie so oft.
Wenn ich auf einer Party nach meinem Beruf gefragt werde, weckt das oft Neugierde nach einem Blick hinter die Kulissen. Eine Frage kommt dann garantiert: „Wie sind Christine und Götz denn als Kollegen?“ „So wie man sie vom Fernsehschirm kennt“, sage ich dann immer. Und das stimmt. Sie sind genauso aufrichtig, aber auch impulsiv; schüchtern, aber auch nach vorn preschend. Seit sechs Jahren bin ich verantwortlich für „Zimmer frei!“. Als junger Redakteur habe ich begonnen – und wirklich viel von Christine und Götz gelernt. Ich habe nicht nur eine Vorstellung davon bekommen, wie man gute Gespräche führt oder wie man ein Publikum zum Jubeln bringt. Christine und Götz haben mir gezeigt, dass man sich auch in einem Alter um die 60 noch hinterfragen kann.
Den Satz „Was willst du mir schon erzählen, ich mach den Job seit 40 Jahren!“, habe ich nicht ein einziges Mal von ihnen gehört. Auch wenn sie manchmal allen Grund dazu gehabt hätten. Gleichzeitig haben sie sich Feedback von mir geben lassen. Wir haben unsere Sendungen immer intensiv nachbesprochen: Warum hat das Spiel nicht funktioniert? Wie hätten die Talks besser laufen können?
Schluss mit Zimmer frei: Götz Alsmann auch Tag nach Trauerfall vor Kamera
„Ich habe doch gleich gesagt, dass das so nicht funktionieren kann“: Wieder so ein Satz, den ich von Christine und Götz nie gehört habe. Wir standen gemeinsam zu unseren Absprachen, auch wenn sie manchmal nicht von Erfolg gekrönt waren. Die Erfahrungen aus manchen missglückten Spielen haben mir für spätere Sendungen geholfen, bei anderen „Versenkern“ war es besser, sie einfach zu vergessen.
Woran ich mich noch gut erinnere: Ein Anruf von Götz mitten in der Nacht, mitten in einer Produktionsphase. Ein lieber Mensch aus seinem Umfeld war gestorben. Götz klang tieftraurig. Für mich war eigentlich klar, dass wir die Staffel absagen müssen. Man kann einem Kollegen doch nicht zumuten, in so einer Situation vor hunderttausenden Zuschauern als Entertainer aufzutreten, dachte ich. Noch dazu, wo Götz sich am Folgetag bei einer Aktion als Prostituierte verkleiden sollte.
Am nächsten Tag war Götz auf die Minute pünktlich bei der Probe. Er stand mit seiner Familie ständig in Kontakt. Aber er war auch für die Sendung da. Auf keinen Fall wollte er, dass wir für ihn inhaltlich etwas verändern. Und man merkte ihm an, dass er diese Haltung als selbstverständlich empfand.
Christine hat fünf Sendungen lang mit einem gebrochenen Bein moderiert. Im Rollstuhl. Auch das ist eher ungewöhnlich in der eitlen Fernsehwelt. Genauso wie eine besondere Nähe zum Team – vom Regisseur bis zur Kabelhilfe. Götz und Christine fühlen sich nur wohl, wenn es allen gut geht. Viele Kollegen haben so manches Glückserlebnis und so manche Sorge mit ihnen geteilt.
Letzte Folge von "Zimmer Frei" läuft am 25. September um 22.15 Uhr im WDR
Das hängt aber sicher auch mit dem Wesen unserer Sendung zusammen. „Ich verwalte Gefühle“, hat Otto Sander mal bei uns gesagt. Und ein bisschen tun wir „Zimmer frei!“-Kollegen das auch. Wir haben wochenlang an Spielen getüftelt, um die Zuschauer zum Lachen zu bringen. Oder wir haben uns die Köpfe heiß diskutiert, um ein so perfektes „Verliebtheits-Zimmer“ zu entwerfen, dass die Zuschauer sich bei dem Anblick daran erinnern, wie schön es ist, verliebt zu sein.
Bei unserer Arbeit haben wir uns also auch oft über eigene Lebenserfahrungen und Gefühle ausgetauscht. Das geht nur, wenn man eine Nähe zueinander empfindet. Diese Nähe werden wir so bald nicht mehr erleben können. „Zimmer frei!“ feiert Abschied – zu einem guten Zeitpunkt, wie ich finde. Auf alle Beteiligten wird jetzt etwas Neues zukommen – auch auf die Zuschauer. Aber dürfen wir nicht trotzdem traurig sein, dass „Zimmer frei!“ zu Ende geht?
Für das letzte Spiel haben wir übrigens doch noch eine Lösung gefunden: Wir bauen ein riesiges Bällebad auf, so wie man es von einem schwedischen Möbelhaus kennt. Dann müssen die Moderatoren mit ihren Gästen… Bevor ich jetzt zu viel verrate: Die Sendung läuft am Sonntag um 22.15 Uhr im WDR Fernsehen. Danach kommt noch „Zimmer frei! – Das Making of.“
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