Psychiaterin bescheinigt Pistorius eine "Angststörung"
Die Anklage will die psychische Verfassung von Oscar Pistorius in einer Facheinrichtung untersuchen lassen. Seit seiner Kindheit soll er eine schwere Angststörung entwickelt haben.
Eine Psychiaterin hat dem wegen Mordes angeklagten südafrikanischen Sprintstar Oscar Pistorius eine "Angststörung" bescheinigt. Angesichts seiner Familiengeschichte und weiterer Stressfaktoren in seinem Leben gehe sie davon aus, dass der unterhalb der Knie amputierte 27-Jährige unter krankhafter Angst und Panik leide, sagte die Expertin Meryll Vorster am Montag vor Gericht in Pretoria. Ankläger Gerrie Nel will nun Pistorius' Psyche untersuchen lassen.
Nach Einschätzung Vorsters begann die Störung, als Pistorius' Eltern ihn dazu ermutigten, sich trotz seiner Behinderung als völlig "normal" anzusehen und zu verhalten. Langfristig könne dies zu beständiger Unruhe und Ängstlichkeit geführt haben, sagte die Gerichtspsychiaterin, die nach eigenen Angaben für ihr Gutachten auch mit engen Freunden und Familienangehörigen des Angeklagten sprach.
Die Mutter von Oscar Pistorius war Alkoholikerin
Die Alkoholabhängigkeit der Mutter und ihre Angewohnheit, stets mit einer Waffe unter dem Kopfkissen zu schlafen, könne diese Ängste weiter verschärft haben, sagte die Gerichtspsychiaterin: "Die Kinder wuchsen mit dem Konzept auf, dass die Außenwelt bedrohlich ist". Mit dem frühen Tod der Mutter habe Pistorius dann sein einziges erwachsenes Vorbild verloren.
Pistorius lief rot an, als die Diagnose kundgegeben wurde
Von seinem Vater, der damals längst von seiner Frau getrennt war, habe er sich endgültig mit 21 Jahren losgesagt. Dank seiner vielversprechenden Sprintkarriere sei Pistorius schon damals finanziell unabhängig gewesen. Kurz darauf habe er sich auch seine erste Waffe zugelegt. "Menschen mit Angststörungen arbeiten hart daran, ihre Umwelt unter Kontrolle zu haben". Das harte Training könne ihm geholfen haben, seine Ängste zu mildern. Während der Aussage der Psychiaterin lief Pistorius rot an, seine Schwester Aimee wirkte wie versteinert.
Pistorius muss sich seit Anfang März wegen Mordes vor Gericht verantworten. Er hatte in der Nacht zum Valentinstag vergangenen Jahres seine Freundin Reeva Steenkamp durch die geschlossene Toilettentür seines Hauses erschossen. Pistorius beteuert, sie für einen Einbrecher gehalten zu haben. Die Staatsanwaltschaft geht hingegen davon aus, dass er das Model nach einem Streit getötet hatte.
Die Aussage der Psychologin soll Angaben der Verteidigung untermauern, dass sich Pistorius während der Tat extrem verletzlich und panisch fühlte. Sollte er tatsächlich einen Einbrecher befürchtet haben, könnte eine Angststörung in der Tat seine Reaktion beeinflusst haben, sagte Vorster vor Gericht. Schon vorher hatte Verteidiger Barry Roux den Athleten wiederholt als fast schon manischen Sicherheitsfanatiker porträtiert.
Vorschlag: Test der Psyche von Pistorius in einer Facheinrichtung
Nach hitzigen Wortgefechten mit Roux und Vorster schlug Staatsanwalt Nel nun vor, Pistorius einen Monat lang in einer Facheinrichtung testen zu lassen. Das Gericht vertagte sich, damit die Anklage das Gutachten genauer studieren kann. Am Dienstag wird Nel dann möglicherweise einen formellen Antrag auf psychologische Tests stellen. afp
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