Robin Williams: Sein Wahn, sein Witz
Mehr als ein Schauspieler: Robin Williams war jede Träne der Trauer und des Lachens wert. Warum er nicht nur dem Kino fehlen wird.
Typfrage, woran man als Erstes denkt. Entweder: Robin Williams – dieses Idealbild des ermutigenden und mitfühlenden Lehrers im so erhebenden wie niederschmetternden „Der Club der toten Dichter“. Oder: Robin Williams – dieser Typ Normalnachbar, der plötzlich von hirnloser Albernheit besessen scheint und in Frauenkleidern auf Kindermädchen macht wie in „Mrs. Doubtfire“.
Robin Williams war im Komisch und im Ernsten ein Meister
Für beide Gesichter gibt es reichlich Beispiele aus der über 30-jährigen Karriere dieses Schauspielers. Das Drama in „Good Morning, Vietnam“, „Zeit des Erwachens“, „König der Fischer“, „Good Will Hunting“; die Komödie in „Hook“, „Jumanji“, „Flubber“, „Nachts im Museum“. Und bräuchte es noch einen Nachweis, dass die alte Regel, wonach man nur im Komischen oder im Ernsten ein Meister werden könne, für die Besten des Fachs nicht gilt: Robin Williams ist dieser Beweis.
Mal mit, mal ohne diesen wuscheligen Vollbart, mal mit bäriger Behäbigkeit, mal mit zappeliger Plapprigkeit, immer aber mit diesen stechend blauen Augen – herzerfrischend lachen und verzweifelt weinen gesehen hat ihn also auch sein Publikum außerhalb der USA. Dass beides zusammengehört aber, war in seiner Heimat viel augenfälliger.
Denn Robin Williams war dort zu allererst eine Entdeckung auf der Bühne. Und in seinen Auftritten als Comedian eben war er immer beides: albern und abgründig, komisch und tragisch, selbst das Wanken dazwischen. Er, doch eigentlich wirkend wie ein völliger Jedermann, offenbarte so, dass etwas Anarchisches in ihm toste, dass es ihn mal aufs Heiterste, mal aufs Traurigste aus aller Ordnung trug.
Robin Williams hat lange unter Depressionen gelitten
Ob er sie selbst eigentlich nie gefunden hat? Ob deswegen all diese Sätze über ihn jetzt in der Vergangenheitsform geschrieben werden müssen? Robin Williams jedenfalls hat lange an Depressionen gelitten. Das war bislang nicht bekannt. Öffentlich gemacht hat er dagegen früh, dass er Alkoholiker gewesen ist, Kokain genommen hat.
Lange kämpfte er dagegen an, ist über die Glanzzeit seiner Karriere hinweg trocken geblieben, hat viel Sport getrieben, ist 2006 aber, nach 20 Jahren Abstinenz, doch rückfällig geworden. Zwei Jahre später ging auch seine zweite Ehe, aus der zwei seiner drei Kinder stammen, in die Brüche.
Seitdem war der Kampf mit seinen Dämonen wieder voll entbrannt. Dazwischen eine Herzklappen-Operation und neue Ordnungsversuche. 2011 hat Robin Williams noch einmal geheiratet und immer wieder Aufenthalte in Rehabilitationskliniken eingelegt – zuletzt nun im Juni. Im Juli ist er 63 Jahre alt geworden.
Barack Obama über den Hollywood-Schauspieler: "Er trat in unser Leben als Außerirdischer"
„Er trat in unser Leben als Außerirdischer.“ Das sagte US-Präsident Barack Obama jetzt über Robin Williams, in Erinnerung daran, dass seine Karriere Ende der Siebziger mit der Fernseh-Quatsch-Serie „Mork vom Ork“ begann. 1951 in wohlsituierten Verhältnissen in Chicago geboren, war er Ende der Siebziger nach Schauspielschule und Stand-up-Comedy dort gelandet: „Aber schließlich hat er jedes Element des menschlichen Geistes berührt. Robin Williams war ein Flieger, ein Arzt, ein Flaschengeist, ein Kindermädchen, ein Präsident, ein Professor, ein Peter Pan und alles dazwischen. Er war einmalig.“
Ausgezeichnet wurde Williams im pathosseligen Amerika nur für eines seiner Gesichter, erhielt den Nebendarsteller-Oscar für „Good Will Hunting“, wurde als Hauptdarsteller nominiert für „Good Morning, Vietnam“, „Der Club der toten Dichter“ und „König der Fischer“ – das ernste Gesicht also.
Doch verehrt wird er zudem für sein komisches, auch von den Größten der Zunft. Terry Gilliam etwa, Drehbuchautor und Komiker der Kulttruppe Monty Python, verneigt sich: „Robin Williams, das am überraschendsten lustige, brillante, tiefgründige und alberne Wunder von Seele und Geist, hat den Planeten verlassen. Er war ein wundersames Geschenk der Götter.“ Und dass Gilliam dies sagt, ist keine pietätvolle Verklärung von Albernheiten wie „Flubber“, nein, er meint damit eben jenen Williams der Bühne, der dem abgründigen Humor der Monty Pythons wie auch dem schwarzen der Wiener viel näher ist als dem überdrehten Hollywood-Slapstick.
So werden nun natürlich zwar auch lustige Zitate des Gestorbenen herumgereicht wie dieses: „Eine Frau würde niemals eine Atombombe bauen. Sie würden niemals Waffen bauen, die töten, oh nein. Sie würden eine Waffe bauen, die dafür sorgt, dass du dich eine Weile lang mies fühlst.“
Robin Williams besaß viel schwarzen Humor
Aber eher treffen doch Sprüche über seine eigenen Untiefen den Charakter des Komikers. Über seine Alkoholsucht sagte er: „Ich habe meinen Entzug in der Weinregion gemacht – um mir meine Optionen offenzuhalten.“ Über Kokain: „Was für eine wunderbare Droge – alles, was dich paranoid und impotent macht, gib mir mehr davon.“ Und über seine Arbeit: „Du verfügst nur über einen kleinen Funken Wahnsinn – vergib ihn nicht.“
Williams selbst hat diesen Funken jedenfalls weidlich genährt. Seine ellenlange Filmliste zeugt bis zuletzt von ungeheurer Produktivität, fast einer Getriebenheit, hinein in immer gleich mehrere Filmprojekte jährlich. Und nicht immer war er dabei so geschmackssicher wie 2002, als er sowohl in „Insomnia“ wie in „One Hour Photo“ ganz erstaunlich in Hauptrollen von Psycho-Thrillern überzeugte. Ja, auch das konnte er also spielen – und so wie einst an der Seite von Robert de Niro hier auch an der von Al Pacino bestehen. Nicht als Held, diese Rollen stand den offenkundig kantigeren Typen besser. Sondern als derjenige, der womöglich in aller Stille am Abgrund balanciert und äußerlich mitunter wirkt, als würde er tanzen – bis er doch stürzt.
Im „Club der toten Dichter“ noch hat er versucht, seine Schüler durch die Ermutigung aus der Kraft der Poesie vor dieser Schwelle zu schützen – und ist bei einem Jungen tränenerweichend gescheitert. Unvergessen aber bleibt, wie er daraufhin von der restlichen Klasse Abschied nimmt, sich die Schüler nach und nach einzeln erheben, auf die Stühle, auf die Tische stellen, um nun ihm für das erstrittene Selbstverständnis, das auch zu Ungehorsam ermutigt, mit dem tapferen Ruf des Dichters Walt Whitman zu danken: „Oh Captain! Mein Captain!“ Williams als Lehrer ging damals ab, gerührt, mit Tränen in den Augen. Nun ist er selbst der Gestürzte, der aus aller Ordnung, aus jeder Rolle Gefallene. Dies ist der Abspann. Kein Happy-End.
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