Sado-Maso-Party auf "MS Schwaben": Wie ein Klassentreffen
Die umstrittenen SM-Party auf der "MS Schwaben" lockt Hunderte Schaulustige an. Die Gäste fühlen sich wie ein bisschen wie beim Klassentreffen. Doch die Zukunft des "Torture Ship" ist offen.
Julia – große blaue Augen, zierliche Statur, um die 30 – nimmt einen Schluck Sekt und geht Richtung Reling. Das Wetter könnte ein bisschen sonniger sein, sagt sie. Aber der Ausblick auf den See, die Berge und den Hafen ist trotzdem schön von hier oben, auf dem Deck der MS Schwaben. Julia trägt einen schwarzen Latexanzug, von ihrem Hals führt eine Kette zu Ralfs Hand, der sie an die Reling geführt hat. „Wir müssen hier endlich auch mal eine Kanufahrt machen“, sagt Ralf und gibt Julia einen Kuss. „Oder was ganz anderes“, meint Julia...
Ralf und Julia, ein Paar aus der Nähe von München, sind schon lange in der Sado-Maso-Szene. Auf die Fahrt mit dem „Torture-Schiff“ auf dem Bodensee zwischen Konstanz und Friedrichshafen freuen sie sich seit Wochen, es ist einer der Höhepunkte der süddeutschen Szene. Ein bisschen wie ein Klassentreffen ist es. Nur eben ohne Kaffee und Kuchen, sondern mit Peitsche und Halsband. Man kennt sich und die sexuellen Vorlieben. Nur die vollen Namen, die wird man hier nie erfahren. „Wir genießen es hier einfach, unter Gleichgesinnten zu sein“, sagt Ralf und wickelt die Kette noch einmal fester um seine Hand.
Zukunft des "Torture Ship" ist offen
Thomas Siegmund, Veranstalter der Lack-und-Leder-Kreuzfahrt, führt derweil noch Telefonate. Ein italienischer Besucher möchte von ihm noch zum Schiff gelotst werden. „Do you understand me?“ ruft Siegmund in sein Smartphone und versucht, die Gäste durch die Zuschauermassen zur Anlegestelle in Friedrichshafen zu lotsen. Hunderte Schaulustige sind gekommen, aber das kennt Siegmund schon. Schließlich ist es seine 18. Ausfahrt mit der MS Schwaben. Umso weniger kann Siegmund die jüngsten Diskussionen darum verstehen, ob seine oder ähnliche Partys dem Ruf der Bodensee-Schiffbetriebe (BSB) schaden könnten. „Jahrelang haben wir niemanden gestört“, sagt er. Die Entscheidung über die Zukunft des „Torture Ship“ falle Mitte Juli.
„Wir hoffen, dass es weiter geht wie bisher“, sagt Siegmund. Das Schiff habe schon Kultstatus, allein deshalb gehe es ihm nicht darum, mit der Veranstaltung reich zu werden. Bei über 600 Gästen macht er einen Umsatz von ungefähr 36000 Euro, für die Schiffs-Miete zahlt er 16000 Euro. „Ich drücke da schon auch ordentlich etwas ab.“ Seine Gäste Julia und Ralf haben im Vorverkauf 60 Euro pro Person bezahlt. Die Outfits fallen eher in eine andere Preiskategorie. „Da, dieses zum Beispiel“, sagt Ralf und deutet auf eine Frau mit Korsett und langem Lederrock, die gerade zusteigt. „Das dürfte um die 4000 Euro kosten.“
Vier Meter tiefer warten schon seit Stunden Schaulustige im Hafen. Es gibt Absperrungen, viele drehen Videos und machen Fotos mit den SM-Ausflüglern. Ein Ehepaar aus Hessen, das gerade am Bodensee Urlaub macht, meint: „Wer das nicht sehen will, muss ja nicht hierher kommen. Vor allem nicht mit Kindern.“ Im Hintergrund posieren Madame F und Master P aus Frankreich für die Fotografen, Transvestit High Heel Rosi zupft noch mal die Maske zurrecht. Wer hier allerdings wen beobachtet, ist nicht immer klar. „Ich würde das ja nicht anziehen“, scherzt Holly aus Böblingen in ihrem Lederkleid über den einen oder anderen Schaulustigen.
Spielraum im zweiten Deck, Schweinebraten ganz oben
Mit an Bord ist auch eine Catering-Firma mit 18 Mitarbeitern. Auf dem ersten Deck gibt es eine Diskothek mit Techno- und Rockmusik, auf dem zweiten einen Sex-Spiel-Raum für Paare und auf dem Oberdeck Leberkäse, Schweinebraten und Bier. Ist das nun also eine Sexveranstaltung oder einfach nur eine ausgefallene Party? Zwar gehe es in den späten Abendstunden schon zur Sache. Die Realität, sagt Veranstalter Siegmund, sie sei aber meist weniger abenteuerlich als die Fantasie der Schaulustigen vor dem Schiff.
„Bei SM geht es vor allem um Vertrauen“, meint Julia. Sie kennt Ralf schon seit 20 Jahren. „Wir sind gar nicht so böse, wie wir aussehen“, sagt der, lächelt durch die Maske. Bis vier Uhr morgens wird die Party dauern, danach tauscht Julia den Latex-Anzug wieder gegen ihren Geschäfts-Blazer. (Suanne Ebner)
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