Sarrazin bei Beckmann: Fünf gegen den Buchverkäufer
Mittags Buchvorstellung, abends Beckmann: Thilo Sarrazin durfte am Montag seine Thesen auch in der ARD unters Volk bringen. Das Spiel "Fünf gegen Sarrazin" endete in Wortklauberei. Von Sascha Borowski
Mittags Buchvorstellung, abends Beckmann: Thilo Sarrazin durfte am Montag seine Thesen auch in der ARD unters Volk bringen. Das Spiel "Fünf gegen Sarrazin" endete in Wortklauberei.
"Deutschland schafft sich ab" heißt das Buch, dass Thilo Sarrazin geschrieben hat. Und dass er, "Bild"-Zeitung und "Spiegel" sei Dank, seit einer Woche ungehindert und publikumswirksam im Sommerloch promoten kann. Muslime als Bedrohung für die Zukunft der Deutschen? "Alle Juden teilen ein bestimmtes Gen"? "Kopftuchmädchen" und "Importbräute"? Sarrazin spielt gekonnt den Provokateur auf eigene Rechnung. Und kann sich in seinem Populismus nicht nur des Beifalls der Rechten sicher sein. Auch sein Verleger wird sich freuen. Das Buch verkauft sich bestimmt blendend.
Wie praktisch, dass Sarrazin nur Stunden nach seiner Buch-Präsentation in Berlin am Montagabend gleich die nächste Bühne bekam: Reinold Beckmann hatte Sarrazin in seine Talkshow eingeladen. Und vorsichtshalber gründlich aufmunitioniert. Vier weitere Gäste sollten den Populisten in Zaum halten. Mit dem Dauer-Ins-Wort-Faller Beckmann waren es damit Fünf. Fünf gegen Sarrazin.
"Wie geht es ihnen als Spalter der Nation?", fragt Beckmann gleich mal zum Start, wohl um zu zeigen, in welche Richtung diese Diskussion gehen soll. Doch Sarrazin lässt nicht provozieren. "Ich sehe mich nicht als Spalter", sagt er. Vielmehr glaube er die Mehrheit der Bürger hinter sich." Überhaupt. Er habe ja nicht die "absolute Wahrheit" verkündet. Nur seine Position.
Beckmann versucht, Sarrazin auf seine umstrittene Aussage zu angeblich jüdischen Genen festzunageln. Der windet sich. Zu der Aussage sei er im Interview mit der "Welt am Sonntag" von den Redakteuren gebracht worden. Irgendwie.
Und so geht es weiter. "Begabungen sind erblich", sagt Sarrazin zunächst. Und, als der indischstämmige Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar widerspricht, korrigiert er sich auch hier umgehend: "Begabungen sind teilweise erblich". So harmlos ist der Spalter plötzlich.
"Was will uns der Buchautor eigentlich sagen?", fragt sich da die Grüne Renate Künast. Aygül Özkan, erste muslimische Landesministerin, kritisiert die "hämische" Art, in der das Buch geschrieben sei. Sie wünsche sich mehr Anerkennung für Migranten, die in Deutschland etwas erreicht haben. Und Olaf Scholz, stellvertretender SPD-Vorsitzender, darf erklären, warum die Partei ihr Problemkind Sarrazin loswerden will. Sarrazin diskutierte über Abstammung und Herkunft als Problem. Nicht als Aufgabe. Und das sei nicht vertretbar "mit dem, wie wir das sehen".
Und was Sarrazin selbst dazu? Vermutlich hätte er gerne etwas gesagt in der Sendung. Nur - er darf nicht. Dank Beckmann. Der gefällt sich darin, dem Mann im Mittelpunkt zu unterbrechen, abzuwürgen, auszubremsen. Ja, man hätte gerne gehört, wie Thilo Sarrazin sich einmal erklärt, erklären muss. Das scheitert am eitlen Moderator Beckmann. Der hört lieber sich selbst.
So verliert sich die Runde bald in Details und Zahlenkolonnen, Floskeln und Wortklaubereien. "Schade um die schöne Zeit", sagt Renate Künast irgendwann. "Wir hypen dieses Buch", seufzt auch Yogeshwar und fragt sich, ob man diese Energie nicht lieber für Besseres einsetzen solle.
Nur Sarrazin selbst kann zufrieden sein. "Jetzt bin ich erstmal dabei, die Auflage zu steigern", gibt er in der Runde unumwunden zu.
Darf er morgen wieder. Dann bei Plasberg. Sascha Borowski
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