Shades of Grey: In Teil 2 kommt zur Qual die Romantik
Fifty Shades of Grey – Gefährliche Liebe: Im zweiten Kinofilm verändert Milliardär Christian sein Verhältnis zur Studentin Anastasia. Seine Geheimnisse hütet er weiter - teilweise.
So ein Safeword ist eine feine Sache. Wenn einem alles zu viel wird, ruft man es klar und deutlich aus und dann ist Schluss mit dem, was einen quält. Das sollte man auch einmal in anderen Lebensbereichen einführen und nicht nur im Falle einvernehmlicher sadomasochistischer Lustgewinnung. Bei Stress am Arbeitsplatz etwa oder anstrengenden Familienfeierlichkeiten. Ging es im ersten Film auf Basis der Bestsellertrilogie „Fifty Shades of Grey“ von E. L. James noch um rotwangiges Verliebtsein, kavaliersmäßiges Umgarnen, verspielte Vertragsverhandlungen um Sexualpraktiken, war am Ende Schluss mit lustig. Nach sechs harten Schlägen mit dem Gürtel reichte es Ana (Dakota Johnson). „Halt! Stopp!“, waren ihre letzten Worte, die Aufzugstür ging zu und der Film war zu Ende.
Natürlich ist der Bruch nur von kurzer Dauer und Teil romantischer Verzögerungsstrategien. Im Sequel „Fifty Shades of Grey – Gefährliche Liebe“ stehen nun ernsthafte Neuverhandlungen an, in die Ana mit erstarktem Selbstbewusstsein hineingeht. Sie kaut nicht mehr auf der Unterlippe herum, bezahlt auch mal eine Rechnung selbst, macht als Lektorin Karriere und darf sogar kurz das Steuer der Jacht übernehmen. Freund Christian (Jamie Dornam) hingegen sieht stark mitgenommen aus, was man am Zehntagebart und der durchfurchten Stirn erkennt.
Film deckt Geheimnisse von Christian Grey auf
Gute Bedingungen zur Läuterung des hübschen Perverslings, in dessen traumatisierte Psyche nun Ana und uns Zuschauern endlich Zugang gewährt wird. Schließlich heißt die Parole auf dem Filmplakat „Keine Geheimnisse mehr“. Die Mutter war cracksüchtig, starb, als er vier war, und erst nach drei Tagen fand die Polizei den Jungen neben der Toten. „Danke, dass du es mir erzählt hast“, sagt Ana und streicht ihm über den Rücken. Die muskulöse Männerbrust mit den Brandnarben bleibt weiterhin Tabu. Aber die Wandlung vom kühlen, vertragsfixierten Sadisten zum bekennenden Romantiker ist ja auch noch nicht abgeschlossen.
Am Ende des Films wird Christian Grey nicht nur das L-Wort, sondern auch H-Wort im Munde führen und mit einem Verlobungsring devot vor der Angebeteten niederknien. Seufzen und Kichern hielten sich an dieser Stelle bei der Europapremiere im Hamburger Kinosaal die Waage. Dafür lässt sich Ana im Prozess gegenseitiger Annäherung ein bisschen den Hintern versohlen oder auch einmal Beinspreize oder Handfesseln anlegen. „Bring mich ins Spielzimmer“, haucht sie ihm ins Ohr und zur Sexualgymnastik singt Halsey aus dem Off „I am not afraid anymore“.
Ob es sich bei „Fifty Shades of Grey“ um gute Literatur handelt, wurde im Feuilleton hie und da entschieden bezweifelt. Aber bei 150 Millionen verkauften Exemplaren in 52 Sprachen setzt man im Marketing einfach auf die normative Kraft des Faktischen. Und Fakt ist, dass die mehrheitlich weibliche Leserschaft offensichtlich ihren Spaß hat mit den amourösen Verwicklungen zwischen der grundunschuldigen College-Studentin Anastasia Steele und dem schmucken Milliardär Christian Grey, der nichts von Romantik hält, aber hofft, seine neue Geliebte als Sklavin im sadomasochistischen Liebesspiel zu gewinnen.
Fifty Shades of Grey nach wie vor ein Verkaufshit
Wer darin die Sehnsucht nach präfeministischen Rollenbildern zu erkennen glaubt, vergisst, dass im multimedialen Zeitalter das Publikum durchaus ironiegeschult ist in seiner Wahrnehmung. Diesbezüglich bietet „Fifty Shades of Grey“ reichhaltige Anknüpfungspunkte und scheint hingegen zur subtilen Gehirnwäsche wenig geeignet. Regisseur James Foley, der die 600 Buchseiten kräftig kondensiert und zu einem soliden, übersichtlichen Fanprodukt umgearbeitet hat, achtet mit fast schon buchhalterischer Penibilität auf das ausgewogene Verhältnis zwischen Sexszenen und Beziehungsgesprächen.
Schließlich gehört beides zur wahren Liebe, um die es hier nun einmal geht, wie immer und immer wieder in zunehmendem beiderseitigen Einvernehmen betont wird. Die Erotikschnulze ist im Kino noch ein weitgehend unerforschtes Genregebiet. Die Mischung aus gediegener Pornografie, Jane Austen und einer kleinen Prise De Sade hat sicherlich Zukunftspotenzial, weil sie die sexualisierten Wahrnehmungsmuster der voyeuristischen Mediengesellschaft bedient und gleichzeitig für romantische Bedürfnisbefriedigung sorgt – da wird uns kein Safeword helfen können.
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